Bildung eigenständig organisieren
Radikaldemokratisch, parteiunabhängig, emanzipatorisch: JungdemokratInnen/Junge Linke
»Horizonterweiterung und Bildung«, antwortet Anika Niggeweg, die politische Geschäftsführerin der Berliner JD/JL auf die Frage, was sie von ihrer Organisation erwartet. Die anderen beiden Aktiven, die an diesem Nachmittag in das kleine, vollgestopfte Büro im Haus der Demokratie gekommen sind, ergänzen: »Menschen, mit denen man diskutieren kann.«
Studierende zwischen 18 und 25 Jahren stellen den größten und aktivsten Teil des sich als radikaldemokratisch und emanzipatorisch verstehenden Verbandes. Aber auch an ältere Schüler richtet sich das Angebot. Bildung wird als Instrument zur politischen Bildung von Jugendlichen verstanden – und als »Selbstbildung«. Positionen wollen sich die JungdemokratInnen selbst erarbeiten; die »Teamer« der Seminare kommen meist aus den eigenen Reihen.
Es waren zwei Jungdemokratinnen, denen am 20. Juli 2001 letztmalig eine unmittelbare Störung des »feierlichen Gelöbnisses« der Bundeswehr in Berlin gelang, als sie in einer Limousine angefahren kamen, sich als die Töchter des damaligen Verteidigungsministers Rudolf Scharping ausgaben und so Alarmsirenen mit in den Bendlerblock schmuggeln konnten. Angesichts der intensiven Rekrutierungstätigkeit der Bundeswehr in Schulen greifen die JungdemokratInnen nun ihre antimilitaristische Tradition wieder auf und engagieren sich gegen »Totschlagargumente« – so der Titel ihrer Informationsbroschüre. Ein auf andere Art kontroverses Thema wird im April zum Gegenstand eines Seminars: »Islamophobie und Antisemitismus«. In der linken Szene scheiden sich an antisemitischen Tendenzen und entsprechenden Vorwürfen seit Jahren nicht nur die Geister, sondern auch vormals Verbündete.
Die Frage nach sozialen Themen löst bei den drei Aktiven einen Moment lang Verlegenheit aus. Für das bedingungslose Grundeinkommen setzen JD/JL sich bereits jetzt ein. Und um sich ein gemeinsames Grundverständnis zu wirtschaftspolitischen Themen zu erarbeiten, startet im April ein Lesekreis zur »Wirtschaftsdemokratie«.
JD/JL sind in den Landesschülervertretungen aktiv und arbeiten mit Gewerkschaften und anderen linken Gruppen zusammen. Ebenfalls im Haus der Demokratie sitzen die ihnen politisch nahe stehenden Organisationen Humanistische Union und die Liga für Menschenrechte. Die JungdemokratInnen sind einer der größten, bundesweit aktiven Jugendverbände. Ihre Zielgruppe erreichen sie teils über ihre Website, erklärt Anika, aber die meisten Jugendlichen kommen durch persönliche Kontakte zu JD/JL. Auf den jährlichen Sommercamps können Einsteiger ausprobieren, ob die inhaltliche Arbeit lockt. Wer dafür nicht gleich wie in diesem Jahr bis Paderborn reisen will, kommt zu einem »radikaldemokratischen Treffen« ins Haus der Demokratie. Die Aktiven erwerben neben politischen auch praktische Qualifikationen, lernen zu organisieren und zu schreiben, unter anderem bei der Produktion der verbandseigenen Zeitung »tendenz«.
Und wohin gehen die Mitglieder, wenn das verbandsintern »Bioklippe« genannte Höchstalter von 34 Jahren naht? Manche engagieren sich in Gewerkschaften oder bei Amnesty International. Auch Berliner Abgeordnete der Linkspartei waren Jungdemokraten. Benjamin Hoff hat es sogar bis zum Staatssekretär in der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit geschafft. Ist der Verband eine Kaderschmiede für die Linkspartei? Anika schüttelt den Kopf. Es geht ihnen um eine linke Politik, parteiunabhängig und undogmatisch. Das schließt eine linke Kritik an der Linkspartei durchaus ein – wie beispielsweise bei der Einführung der zentralen Berliner Schülerdatei 2009.
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