Schönere Städte für weniger Bürger
IBA 2010 in Sachsen-Anhalt wurde eröffnet
Die japanische Regierungsdelegation, die 2009 nach Deutschland kam, hätte sich bekanntere städtebauliche Ensembles ansehen können, Hamburgs Hafencity etwa. Die Regierungsvertreter aus dem Fernen Osten fuhren jedoch in die Provinz nach Sachsen-Anhalt.
In der ehemaligen Bergbaustadt Sangerhausen ließen sie sich zeigen, wie eine Kommune in zehn Jahren ein Drittel ihrer Einwohner verliert und trotzdem an Lebensqualität gewinnt. Die Visite zeigt, sagt André Schröder, CDU-Staatssekretär im Magdeburger Bauministerium, dass der Umgang mit der demografischen Entwicklung »ein Thema zur Profilierung ist und nicht nur ein Jammertal«.
»Schrumpfen« war tabu
Der Ansatz, dass dem Schrumpfen von Städten auch Chancen innewohnen, ist die wichtigste These der Internationalen Bauausstellung (IBA) Sachsen-Anhalt 2010, die gestern mit einer Feier in Magdeburg eröffnet wurde. Veranstaltet wird sie in 19 meist mittelgroßen Städten, in denen seit 2002 an 80 Projekten gearbeitet wurde.
Als damals die PDS-tolerierte Regierung von SPD-Ministerpräsident Reinhard Höppner entschied, eine IBA mit diesem Thema durchzuführen, galt allein der Begriff »Schrumpfen« bei vielen Politikern noch als Tabu. Obwohl überall im Osten Abwanderung und Geburtenrückgang zu hohen Leerständen führten und für viel Geld ausgebaute Gewerbegebiete oft leer blieben, hing man vielfach noch Träumen von wirtschaftlichem Wachstum und dem Nachbau West nach. Inzwischen zweifelt niemand mehr daran, dass die Mehrzahl der Städte schrumpfen wird. Wie das geschehen kann, ohne dass sie an Lebensqualität verlieren, wollen die 19 Orte der IBA 2010 demonstrieren, der ersten, die in einem gesamten Bundesland stattfindet.
Sachsen-Anhalt, bis 1989 meist von Großindustrie geprägt, sei vom Problem der Schrumpfung »mit am schärfsten betroffen, hat sich den Fragen aber auch am beherztesten gestellt«, sagt Phillip Oswalt, der Chef der Bauhausstiftung, die mit der Landesentwicklungsgesellschaft die IBA durchführt.
Rückzug auf den Stadtkern
Die Ansätze der Städte sind dabei sehr unterschiedlich. Aschersleben als älteste Stadt im Land zeigt mustergültig, wie sich eine Kommune auf ihren alten Stadtkern zurückziehen kann; zudem gibt es mit der Drive-Thru-Gallery einen originellen Umgang mit Baulücken entlang von Durchfahrtsstraßen.
Köthen erarbeitet sich ein neues Renommee, das auf den Begründer der Homöopathie Samuel Hahnemann setzt, der hier ab 1821 praktizierte. Heute gibt es in Köthen nicht nur die größte Europäische Fachbibliothek sowie einen Studiengang zum Thema; die Prinzipien der Homöopathie werden sogar auf die Stadtplanung angewandt.
Zum Thema Schrumpfung passt, dass die IBA anders als ihre Vorgänger in Berlin und dem Ruhrgebiet mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln auskommt. Knapp 207 Millionen Euro wurden investiert. Sie kamen aus existierenden Fördertöpfen etwa für den Stadtumbau Ost oder zur europäischen Regionalentwicklung, aber auch aus kommunalen Kassen oder von Privatinvestoren. Was aus diesem Geld und mit dem Engagement vieler Bürger geschaffen wurde, kann bis Oktober in den einzelnen Kommunen sowie in einer ab heute geöffneten Ausstellung am Bauhaus in Dessau besichtigt werden.
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