Hybridmais macht Saatgut zur Ware
Deutsche Unterstützung für mexikanische Kleinbauern bei ihrem Kampf gegen die Gentechnik
Noch ein wenig aus der Puste stehen die Hohenloher an einem Steilhang im Örtchen Santa Gertrudis in einem Maisfeld. Sie lassen sich von einem Bauern der indigenen Gruppe der Zapoteken die Anbauweise erklären, denn zwischen den Maispflanzen wachsen auf diesem halben Hektar Land auch Kürbisse und Bohnen. Dieser Mischfruchtanbau (Milpa) ist typisch für Mittelamerika und wird seit Jahrhunderten so gepflegt. Ob er noch andere Felder habe, wird der Bauer gefragt. Da streckt er seinen Arm aus und weist auf den gegenüberliegenden Berg. Täglich acht Stunden arbeitet er auf dem Feld. Ohne schweres Gerät, ohne Maschinen.
»Ihr müsst sehen wie wir hier leben, um zu verstehen, was es bedeutet, den Mais zu verteidigen«, hatte Aldo González von der mexikanischen Partnerorganisation UNOSJO zu den Mitgliedern vom Bündnis Gentechnikfreies Hohenlohe gesagt, als er sie eingeladen hatte. Eine 18-köpfige Gruppe aus konventionellen und Demeterbauern, Aktivisten aus Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen, Landfrauen und ein Händler von Wildblumensaaten aus dem Bündnis folgte Anfang Februar diesem Aufruf in die Sierra Juárez. Knapp zwei Wochen sind sie in Mexiko unterwegs. Mitten in den Bergen. Im Dschungel. In einem Dorf ohne Stromversorgung. In der Mega-City Mexiko-Stadt. Immer auf den Spuren des Maises.
Dem Erhalt der Vielfalt des einheimischen Maises, der von Kleinbauern in Subsistenzwirtschaft angebaut wird, hat sich der indigene Dachverband UNOSJO mit Sitz in Guelatao, im Bundesstaat Oaxaca, verschrieben: Die Organisation arbeitet in der Sierra Juárez mit 18 zapotekischen Gemeinden zusammen und berät diese in ökologischem Kaffeeanbau, ökologischer Landwirtschaft, Frauenrechten und zu indigenen Rechten. »Wir werden gemeinsam mit anderen daran arbeiten, dass wir das Erbe unserer Vorfahren an unsere Kinder und Enkel weitergeben können«, so González. Denn dieses Erbe sei bedroht: Saatgut werde traditionell aus der eigenen Ernte gewonnen, doch Hybrid- oder Genmais mache Saatgut zur Ware, unterbreche den Subsistenz-Zyklus und gefährde durch Kontaminierung der einheimischen Sorten die Vielfalt des Maises, erläutert González weiter.
»Laut Weltagrarbericht sind kleinbäuerliche Höfe wie diese hier die Zukunft der weltweiten Ernährungssicherung. Aber was sagt man den Menschen hier, die sich nicht mehr so abrackern und lieber konsumieren wollen?«, fragt sich Jochen Fritz, der Koordinator des Bündnisses und wirft einen nachdenklichen Blick auf die kleinen Felder an den steilen Bergen. Abwanderung in die Städte oder gleich in die USA sei ein Riesenproblem, erklärt Aldo González. Ein Dorf ohne Jugend und Rückkehrer mit viel Geld brächten Sozial- und Arbeitsstruktur komplett durcheinander.
Abwanderung aus den Dörfern ist auch den Hohenlohern nicht unbekannt. Auf dem Forum »Globalisierung und die Lebewesen der Sierra Juárez« in San Gertrudis, im Radio oder bei einer Zusammenkunft mit Vertretern und Vertreterinnen vom Nichtregierungsorganisationen-Bündnis »Kollektiv zur Verteidigung der Territorien« berichten sie von Feldbesetzungen, von Erfahrungen mit Gerichtsprozessen um Patentrechte oder Saatgut oder auch nur von den Schwierigkeiten, sich in Deutschland als kleinbäuerlicher Betrieb zu behaupten. Ins Leben gerufen wurde die Partnerschaft von der Initiative »Entre Campos – Zwischen Land und Leuten«, um Aktivisten und Bauern beider Regionen direkt miteinander in Kontakt zu bringen.
Ernst Rieger, der Saatgutexperte, hat auf dem Weg zum Feld in Santa Gertrudis einen Blick auf die Kaffeepflanzen geworfen. »Nicht sehr gepflegt«, so sein klares Urteil – doch als später klar wird, dass schwankende Preise für Kaffee der Grund dafür sind, wird die Idee für ein gemeinsames Kaffeeprojekt geboren. »Es wäre super, wenn wir mit diesem Projekt ein stabiles Einkommen schaffen könnten«, erklärt Jochen Fritz.
Nach einem Gesprächstermin bei der Kommission für Biosicherheit und Gentechnik CIBIOGEM in Mexiko-Stadt, bei dem deutlich wird, dass die mexikanische Regierung auf die industrielle Landwirtschaft und auf die Gentechnik setzt (der experimentelle Anbau von 24 Genmaissorten ist bereits genehmigt), beschließen die Hohenloher ihre Kritik in Form eines offenen Briefes an die Kommission und den mexikanischen Präsidenten Calderón klar zu äußern.
»Der Wert des Regionalen muss gestärkt werden. In Deutschland ist das nicht anders. Wissen ist oft vorhanden, aber das Bewusstsein bei den Leuten fehlt. Durch die Vernetzung wollen wir auch politisch mehr Druck ausüben«, erklärt Jochen Fritz. Bei seinem Besuch im Hohenlohischen Mitte März hat Aldo González über die Fortschritte des Kaffeeprojekts auf mexikanischer Seite berichtet. Fest steht, dass die Idee einer Ausstellung über beide Regionen weiter vorangetrieben werden soll.
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