Versicherungen in Serie - Teil 22 - Die private Altersvorsorge hält nicht, was die Politik versprach
Assekuranz
Mit der Riester-Rente sollte auch ökologische Nachhaltigkeit in die Altersvorsorge einziehen, versprach die Politik. Pünktlich mit dem politischen Startschuss zur Riester-Rente begann zunächst ein schriller Reklame-Rummel in allen Medien. Kaum hatte im Mai 2001 der Bundesrat die Rentenreform passieren lassen, legten Versicherungen und Finanzdienstleister los und warben lautstark für die ersten »Riester-Produkte«. Und sie hatten Erfolg: Die Victoria-Versicherung freute sich kurz darauf schon über 175.000 abgeschlossene Verträge, der Branchenführer Allianz sogar über 300.000. Dabei gab es zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch keine zugelassenen Produkte.
Auf diesen Anfangserfolgen blieb die Geldbranche jedoch lange, ja eigentlich bis heute hocken. Von etwa 50 Millionen Berechtigten in Deutschland »riestern« heute kaum mehr als 13 Millionen.
Für die Zurückhaltung der potenziellen Riester-Sparer gibt es mehrere Gründe. So fehlt es in der sozial gespaltenen Gesellschaft vielen Menschen schlicht am nötigen Geld. Und viele Gewerkschafter und politisch Linke verweigern sich, weil sie die von wirtschaftsliberalen Politikern betriebene Privatisierung der Rente grundsätzlich ablehnen.
Zudem gibt es aber auch Ablehnungsgründe, die in der Riester-Produkten selbst angelegt sind. So bestehen zum einen Zweifel an der Rentabilität der Produkte, andere Geldanlagen erscheinen vielen lukrativer. Zum zweiten haben sich grüne Blütenträume nicht erfüllt.
Zertifikat ist kein Gütesiegel
Um als förderungswürdiges privates Rentenprodukt zugelassen zu werden, müssen die Anbieter und ihre Angebote eine Zertifizierungsstelle erfolgreich durchlaufen. Damit setzte die Politik einen formalen Mindeststandard. Dieser Mindeststandard garantiert jedoch keine Qualität. Das Zertifikat ist kein Gütesiegel! Daher sagt das staatliche Zertifikat nichts darüber aus, ob ein Produkt gut oder schlecht für den Sparer ist. Auch das sollte nach dem Willen der politischen und wirtschaftlichen Akteure statt dessen der Markt regeln.
Eingerichtet wurde die zuständige Behörde bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) in Bonn. Zum Schutz der Verbraucher hatte die Bundesregierung mit dem Zertifizierungsgesetz einen 11-Punkte-Katalog festgelegt, den Rentenprodukte erfüllen müssen, damit sie vom Staat bezuschusst werden. Später wurde der Katalog auf 14 Punkte erweitert. Ganz wichtig: In dem 14-Punkte-Katalog wurde unter anderem festgelegt, dass die Rentenprodukte für den Sparer transparent sein müssen.
Im Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG) heißt es dazu scheinbar eindeutig: »Der Anbieter von Altersvorsorgeverträgen informiert den Vertragspartner vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in Textform über Anlagemöglichkeiten und Struktur des Anlagenportfolios sowie das Risikopotential und die Berücksichtigung ethischer, sozialer und ökologischer Belange bei der Verwendung der eingezahlten Beiträge.«
So sollten Finanzdienstleister laut Zertifizierungsgesetz ihre Kunden einmal jährlich schriftlich informieren, »ob und wie« sie ethische, soziale und ökologische Kriterien berücksichtigten.
Die Regierung Schröder/Fischer setzte dabei auf »eigenverantwortliche Entscheidungen der Marktteilnehmer«. Dafür seien die Unternehmen verpflichtet worden, zu informieren, inwieweit sie bei ihren Anlageentscheidungen ethische Bedingungen berücksichtigen.
Die Bundesfinanzaufsicht Bafin ging, sicherlich mit Rückendeckung aus Berliner Regierungskreisen, ihren eigenen Weg und bremste die Reform faktisch aus: Sie befreite Banken, Versicherungen und Fonds von der lästigen Pflicht zur alternativen Transparenz: Nur noch die selbsternannten Öko-Anbieter müssen über ihre genaue Anlagepraxis detailliert informieren. Für normale Finanzfirmen und ihre Produkte reicht es, »einmalig im Vertrag« – so die Bafin – darauf hinzuweisen, dass keine(!) ethischen, sozialen oder ökologische Belange berücksichtigt werden. Weitere Informationen hielt man im Aufsichtsamt Bafin für übertrieben. Damit verschwand die durchaus reizvolle riestersche Öko-Idee und auch die Transparenz im Kleingedruckten ungelesener Verträge. Verbraucherschützer fühlten sich denn auch vom Bafin überrumpelt und düpiert.
Schmales Angebot
So ist das Angebot an Öko-Riestern überschaubar geblieben, und wer eine ökologisch oder sozial orientierte Altersvorsorge will, der hat kaum eine Wahl. Einige Versicherer haben zumindest im Rahmen ihrer fondsgebundenen Riester-Renten einige nachhaltig angehauchte Fonds mit in ihre Angebotspalette aufgenommen, um für Alternativ-Anleger gewappnet zu sein. Wer es weniger riskant möchte und auch darum Fonds meidet, für den ist die Auswahl noch übersichtlicher. Zwar vertreiben mehrere Finanzdienstleiter wie GLS oder Umweltbank solche klassischen Rentenverträge, doch dahinter steht das selbe Produkt von Oeco Capital.
Wer ist dieser Monopolist? Die Oeco Capital Lebensversicherung AG bezeichnet sich als »der erste ökologische Lebensversicherer Deutschlands«: In ihrer Satzung hat sich die Gesellschaft zu einer nachhaltigen und umweltfreundlichen Kapitalanlagepolitik verpflichtet. Oeco Capital ist zu 100 Prozent eine Tochtergesellschaft der Concordia Versicherung und damit Teil einer konventionellen Versicherungsgruppe.
Weiche Kriterien
Doch egal, ob Sie sich für eine grüne Riester-Fondspolice oder für eine grüne klassische Rentenversicherung á la Riester interessieren, schauen sie genau hin bei den Kriterien. Es gibt Ausschlusskriterien und Positivkriterien.
Oeco Capital investiert beispielsweise nicht in Rüstungs-, Atom-, und Automobilindustrie, lehnt Genmanipulation und die Erzeugung von Suchtmitteln ab. Auch »artwidrige« Tierhaltung oder Verstöße gegen Umwelt- und Naturschutzrecht gelten als Ausschlusskriterien.
Durchaus vage sind dagegen meistens die Positivkriterien. Dies sei hier wiederum am Beispiel Oeco Capital erläutert: Man werde Aktien, Schuldscheindarlehen oder Wertpapiere von Unternehmen und aus Branchen erwerben, die durch ihr Handeln selbst der Umwelt einen Nutzen bringen, die Umwelt durch den Gebrauch ihrer Produkte entlasten, von Experten als ökologisch unbedenklich eingestuft werden und die im Vergleich zu anderen Branchenteilnehmern neue ökologische Standards setzen bzw. den Branchenstandard verbessern.
Gerade letzteres ist allerdings in der Anlagepraxis ein recht weiches Argument. Besser als der Branchendurchschnitt kann auch ein ansonsten wenig umweltverträgliches Unternehmen sein. Beispielsweise produziert der Energiekonzern Vattenfall im Schnitt »saubereren« Strom als der Konkurrent RWE.
Doch es gibt noch weitere Kritikpunkte an grünen Altersvorsorgeprodukten. Stören könnten sich kritische Anleger etwa auch daran, dass es überwiegend Aktiengesellschaften sind, in die Riester-Fonds das Geld ihrer Sparer anlegen. Links-Alternativ und Shareholder-Kapitalismus passen freilich nicht recht zusammen, auch nicht bei der Rente. Soziale Kriterien spielen im Regelfall bei Grün-Riestern keine Rolle.
Am Beispiel Oeco Capital zeigen sich die Grenzen grüner Geldanlagen im Portefeuille einer Versicherungsgesellschaft. So wird in Aktien des globalen Weltkonzerns SAP ebenso investiert wie in Medizintechnikunternehmen wie Dräger und Fresenius. Deren hochpreislichen Produkte, so Kritiker, treiben die Kosten für die Krankenkassen nach oben und belasten so die Sozialsysteme, zu denen auch die Rentenkassen gehören. Transparenz alleine sorgt eben noch nicht für eine substanzielle Nachhaltigkeit.
HERMANNUS PFEIFFER
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