Gabriel heizt Debatte um Afghanistan-Krieg an
SPD-Vorsitzender: Bundestag würde Kriegseinsatz im Sinne des Völkerrechts nicht zustimmen
Berlin (dpa/ND). Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Einsatz für einen Krieg halte, müsse die Regierung einen neuen Einsatzbeschluss beantragen, sagte der SPD-Vorsitzende der »Frankfurter Rundschau«. »Dann würde mit Sicherheit die Abstimmung anders verlaufen«, so Gabriel weiter. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Deutsche Bundestag einem Kriegseinsatz im Sinne des Völkerrechts zustimmt.«
Merkel hatte am Freitag bei der Trauerfeier für die drei nahe Kundus getöteten Bundeswehrsoldaten gesagt, die meisten Soldaten würden den Einsatz in Afghanistan inzwischen Krieg nennen. Sie fügte hinzu: »Ich verstehe das gut.« Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wurde deutlicher: »Was wir am Karfreitag bei Kundus erleben mussten, das bezeichnen die meisten verständlicherweise als Krieg – ich auch.«
Zuletzt lehnte Guttenberg im ZDF aber ab, das Mandat zu ändern: Krieg bedeute, dass zwei Staaten gegeneinander kämpften, »und das haben wir in Afghanistan nicht«. Der Bundestag hatte das Mandat zuletzt im Februar verlängert. Die Bundeswehr beteiligt sich bereits seit mehr als acht Jahren an der »internationalen Mission zur Stabilisierung Afghanistans«.
Linksparteichef Oskar Lafontaine sagte, Gabriels Kehrtwende sei zu begrüßen. »Krieg muss man Krieg nennen«, so Lafontaine gegenüber dem »Tagesspiegel«. »Die SPD muss jetzt den nächsten Schritt machen und sich unserer Forderung anschließen, die Beteiligung der Bundeswehr an diesem völkerrechtswidrigen Krieg zu beenden«, forderte Lafontaine.
Verhandlungen mit Popal abgebrochen
Nach wochenlangem Streit hat Verteidigungsminister Guttenberg die Entschädigungs-Verhandlungen mit dem Anwalt einiger Opfer des Luftangriffs von Kundus, Karim Popal, abgebrochen. »Bei Herrn Popal ist bis heute die Mandatslage ungeklärt«, sagte Guttenberg am Dienstag zur Begründung. Zudem sei die von dem Anwalt vorgeschlagene Verwendung der Entschädigung in Höhe von mehreren Millionen Euro für Projekte in der Unruheregion Char Darah bei Kundus »derzeit nicht umsetzbar«. Die Entschädigungs-Verhandlungen sollen nun vom Auswärtigen Amt und vom Entwicklungsministerium direkt mit den Stammesältesten vor Ort geführt werden. Bei den von einem Bundeswehroberst befohlenen Luftangriff auf zwei Tanklaster in Char Darah waren am 4. September 2009 bis zu 142 Menschen getötet worden.
Foto: In der nordafghanischen Stadt Kundus demonstrierten am Dienstag Opfer und Hinterbliebene des Bombenangriffs vom 4. September. Sie forderten, nach der Soforthilfe der Bundesregierung im Winter – 150 000 Euro für Brennholz, Decken, Kocher und Lebensmittel – endlich auch entschädigt zu werden. Linkspartei-Fraktionsvize Jan van Aken erklärte dazu, Verteidigungsminister zu Guttenberg und sein Ministerium verhöhnten die Opfer, wenn sie sich weiterhin weigerten, die angekündigten Entschädigungen zu zahlen. Die Demonstration in Kundus richte sich direkt an die Bundesregierung. »Das es soweit gekommen ist, ist beschämend.«
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