Vergnüglicher »Überfall« mit Bollenhut

In Freiburg im Breisgau kann man ganz außergewöhnliche Stadtführungen mit Bärbel erleben

  • Andreas Steidel
  • Lesedauer: 4 Min.
Schwarzwaldmädel Bärbel zieht alle in ihren Bann.
Schwarzwaldmädel Bärbel zieht alle in ihren Bann.

Eine Frau mit rotem Bollenhut geht eilig durch die Gassen. Ihr Gesicht ist geschminkt, ihre dunkle Schwarzwälder Tracht reicht bis zum Knöchel. In der Hand trägt sie ein Körbchen, ein rotes Tüchlein verdeckt den Inhalt. Plötzlich hält sie inne, starrt eine kleine Gruppe von Touristen an und plappert ungefragt drauf los. Von einem Großvater, der sie mit in die Stadt genommen habe. Von einem Verlobten namens Hans, den sie in drei Wochen heiraten müsse. Von einem Tanzkurs, der in eineinhalb Stunden beginnen werde.

Kostümführungen laufen immer Gefahr, ein wenig peinlich zu werden. Zumal wenn sie in der kitschigsten aller Verkleidungen inmitten einer Studentenstadt wie Freiburg stattfinden. Bollenhut und Schwarzwaldmädel sind der Inbegriff des Klischees, die Personifizierung dessen, was Folklore, aber nicht unbedingt Tradition ist.

Wenn Sophie Josuttis das Schwarzwaldmädel Bärbel für Touristen gibt, dann ist daran überhaupt nichts peinlich. Dann wird aus einer Trachtendarbietung eine vergnügliche Schauspieleinlage, der man gerne folgt. In den Keller des ältesten Gasthauses der Stadt zum Beispiel, wo sie die Geheimnisse ihrer Kostümierung preisgibt. Nur in drei Gemeinden des Kinzigtals werde sie getragen und gestunken habe sie früher wie die Pest, weil man den empfindlichen, mit Asche gefärbten Stoff nicht waschen durfte. »Können Sie sich das vorstellen?« Man könnte, aber macht es lieber nicht.

Schweißgebadet nimmt Bärbel ihren Bollenhut ab und platziert ihn auf dem Kopf einer Teilnehmerin. »Um Gottes Willen«, sagt die nur und das gilt ganz und gar dem Gewicht der Kopfbedeckung: Über zwei Kilo wiegt der mit Gips verstärkte Trachtenhut, die 14 roten Wollmäuse, die er tragen muss, sind 14 Schutzpatronen gewidmet, die die Schwarzwälder vor der Pest bewahrt hatten. Die Pest waren wohl auch jene, die den adretten Damen hinterherpfiffen, und so kam es, dass verheiratete Frauen fortan einen tristen schwarzen Bollenhut tragen mussten. Unserem Schwarzwaldmädel blüht dieses Schicksal laut Drehbuch in drei Wochen.

Zeit genug, die Stadt unsicher zu machen. Von Henkern und Huren zu erzählen, von Schwaben und Badenern, von Evangelischen und Katholischen, die sich nicht leiden können. Bollenhutträgerinnen sind grundsätzlich protestantisch, weil Gutach, Kirnbach und Reichenbach bis ins 19. Jahrhundert zu Württemberg gehörten. Freiburg im Breisgau hingegen ist erzkatholisch, mit dem obersten aller deutschen Bischöfe als Domherrn. Natürlich kann sich die freche Bärbel auch hier ein paar unchristliche Bemerkungen nicht verkneifen und neugierig, wie sie ist, weiß sie selbstverständlich auch, wo der Herr Erzbischof Zollitsch wohnt.

Unsere Bärbel mit dem Bollenhut ist das, was man eine auffällige Erscheinung nennen könnte. Es ist beinahe unmöglich, sie aus den Augen zu verlieren und mitunter recht schwierig voranzukommen: Immer wieder wollen Passanten mit ihr fotografiert werden, grinsen Japaner, Amerikaner und Norddeutsche über die wundersame Gestalt.

Bärbel kann das nicht beeindrucken. Resolut bahnt sie sich ihren Weg, bis sie vor dem großen Freiburger Münster steht und in Hochform die wasserspeienden Figuren an der Fassade erläutert. Sie singt dazu, sagt ein Gedicht auf und beschwert sich lautstark, wenn der Applaus nicht so ausfällt, wie sie sich das vorstellt. Längst hängt auch die kleine Antonia an ihren Lippen. Das Mädchen aus Berlin, von den Eltern zur Stadtführung mitgeschleppt, hat irgendwann unterwegs die Scheu verloren und kann nun gar nicht mehr aufhören, Bärbel Löcher ins Gewand zu fragen.

Der Schlussakt. Natürlich kann es keine Schwarzwaldmädel-Führung geben, ohne dass darin nicht einmal das Schwarzwaldmädel aus dem Film vorkommt. Sophie Josuttis, im Privatleben Schauspielerin an einem Improvisationstheater, weiß auch da, wie man das Thema an den Mann und die Frau bringt. Zwei Freiwillige vor, ein furchtbar gestelzter Dialog zum Nachsprechen und fertig ist das Stehgreif-Stadttheater auf den Spuren von Rudolf Prack und Sonja Ziemann.

Dann geht es sehr schnell. Die Turmuhr schlägt halb sieben. Bärbel erschrickt, redet irgendetwas von ihrem Hans und verschwindet so wie sie gekommen ist wieder in den Gassen von Freiburg.

  • Infos: Touristinformation Freiburg, Tel.: (0761) 388 18 80, www.freiburg.de, www.schwarzwald-tourismus.info
  • Die Kostümführung »Schwarzwaldmädel« findet jeden ersten und dritten Samstag im Monat statt und kostet 14 Euro (für Inhaber einer Schwarzwaldcard inklusive). Beginn 16 Uhr, Dauer 1,5 Stunden, Treffpunkt Schwabentor, Anmeldung Tel.: (0761) 290 90 58, www.timewalking.de.
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