Blickfang
Der Große Jordan
Für dieses Werk, dessen Kurzbezeichnung vermutlich bald »Der Große Jordan« sein wird, suchte der Autor akribisch in Archiven und Bibliotheken, sprach mit Zeitzeugen und bündelte die verstreuten Fakten auf praktikable Weise. Dank eines Sach-, Schlagwort- und Personenregisters ist schnell herauszufinden, wer an welcher Stelle in welcher Funktion mit Film zu tun hatte. Nicht nur die exakten Amtsperioden der DDR-Filmminister sind erfasst (einer »überlebte« auf diesem Schleudersitz nur ein halbes Jahr), sondern auch die der DEFA-Direktoren, künstlerischen Gruppenleiter, SED-Kunstverantwortlichen oder russischen Kulturoffiziere. Jordan schlüsselt Unterstellungsverhältnisse auf, beleuchtet Entstehung und Metamorphosen der Studios und Kontrollgremien, recherchiert auch alle Filmproduzenten jenseits der DEFA. Dass es bei der Nationalen Volksarmee oder der Post ein eigenes Filmstudio gab, dürfte vielleicht noch bekannt sein; als Überraschung erweist sich dagegen die Vielzahl kleiner privater Produzenten im Filmbereich. Alle Kapitel werden durch sachliche Einführungen in das jeweilige Thema begleitet, mit Quellenhinweisen, Rechtsvorschriften und Literaturangaben belegt. Eine umfassendere Datensammlung zum DDR-Kino gab es nie – obwohl auch hier Lücken bleiben: Das Lichtspielwesen der DDR, also wo wann welche Kinos standen, welche Filme mit wieviel Kopien in den Verleih kamen und wie die Zuschauer wirklich reagierten, ist nach wie vor weitgehend unerforscht.
In den Jahren seiner Sisyphusarbeit wurde Jordan immer wieder von Freunden und Wegbegleitern ermutigt: zum Beispiel von Wolfgang Klaue, dem langjährigen Direktor des Staatlichen Filmarchivs und erstem Vorstand der DEFA-Stiftung, dem auch die finanzielle Unterfütterung des Projekts zu danken ist. Während einer Podiumsdiskussion im Potsdamer Filmmuseum, in dem das Buch jetzt herauskam, wurde darauf hingewiesen, dass ein vergleichbares Standardwerk für die westdeutsche Filmentwicklung nach 1945 eher nicht denkbar sei: Die Strukturen dort waren sehr viel kleinteiliger und unübersichtlicher und sind auch längst nicht so gut dokumentiert. So mag der »Große Jordan« ein Unikat bleiben: unverzichtbar für alle, die künftig zum »abgeschlossenen Sammelgebiet« Film in der DDR forschen und publizieren. Denn wer interpretieren will, muss sich zunächst erst einmal Kenntnisse aneignen: Jordan bereitet dafür bestens den Boden.
Günter Jordan: Film in der DDR. Hg: Filmmuseum Potsdam. 580 Seiten, geb., 45 €.
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