Stille Freude im gelobten Land

  • Ernst Röhl
  • Lesedauer: 3 Min.
Flattersatz – Stille Freude im gelobten Land

Deutschland ist das beliebteste Land der Welt. Endlich sagt es mal einer, und zwar nicht irgendeiner, sondern die berühmteste Rundfunkanstalt der Welt. Die Londoner BBC, so berichtet Welt online, habe nach der Befragung von 30 000 Menschen in 28 Ländern eine einschlägige Studie veröffentlicht, und siehe da: Deutschland hält im Beliebtheitsranking unangefochten die Pole Position, Großbritannien unter ferner liefen, weit abgeschlagen Letzter: Iran.

Endlich finden unsere deutschen Tugenden weltweit die verdiente Anerkennung: Freiheit, Demokratie, Anstand, Pünktlichkeit, Friedfertigkeit, Rüstungsexport und soziale Gerechtigkeit. Die Lobpreisung gewinnt noch dadurch an Wert, dass sie von den Engländern kommt, die einst den Popanz vom hässlichen Deutschen aufgebaut hatten. Nun aber konnte nicht einmal der Anglizismen-Hass des Vereins Deutsche Sprache sie in ihrem objektiven Urteil beirren.

Die ganze Welt liebt und lobt uns, und das freut uns natürlich. Doch weil wir Deutsche sind und stolz darauf, bleiben wir auf dem Teppich. In aller Bescheidenheit fragen wir: Warum sind wir eigentlich so unglaublich beliebt? Warum genau? Weil wir der Reiseweltmeister sind? Der Exportweltmeister? Der Fußballweltmeister? Der Papst? Weil Lena Meyer-Landrut die Casting-Show »Unser Star für Oslo« gewonnen hat? Oder vielleicht doch eher, weil wir von so tollen Politikern regiert werden? Wir haben einen Bundespräsidenten namens Horst. Wir haben den Kriegsminister mit den allermeisten Vornamen der Welt. Kanzlerin Merkel hat ihren Afghanistan-Krieg zur Chefsache erklärt. Auch Vizekanzler Dr. Guido Westerwelle punktet für Deutschland: »Vor Ihnen steht die Freiheitsstatue dieser Republik!«

Bei uns kriegt einfach jeder seine Chance. Johannes B. Kerner darf sich ungestraft Moderator nennen. Der Erfurter Ex-Landesvater und Pistenrowdy Althaus säbelt in Tirol arglose Wintersportler um und qualifiziert sich damit zum Autolobbyisten. Schumi fährt Formel 1 bis zur Rente mit 67. Schulabgänger ohne Lehrstelle werden unbürokratisch in den Vorruhestand übernommen. Und noch was: Wir sind ein Land der Hochkultur auf Flachbildschirmen: Seifenopern ohne Ende, und der Bühnenflatulist Mister Methan pupst vor großem Publikum notengetreu die ersten Takte der 5. Sinfonie von Beethoven.

Zugleich hat unser Land ein Herz für Bestverdiener. Auch das, glaube ich, honoriert die Welt. Deutschland präsentiert sich als Paradies der Ausgewogenheit; einerseits ist es ein Land mit wachsender Milliardärsdichte, andererseits werden die Schlangen vor den Suppenküchen von Tag zu Tag länger, und bei der Altersarmut kann uns die Sahelzone schon lange nichts mehr vormachen. Wir sind das Land mit dem niedrigsten Krankenstand. Eine Firma muss bloß noch ankündigen, sie werde demnächst 10 000 Mann achtkantig rausschmeißen, schon sackt der Krankenstand im freien Fall unter Null.

Natürlich liebt die Welt ihre Germans auch für ihre abgefahrenen Ideen. Tapfer kämpft beispielsweise das Kölner Finanzamt gegen Leute, die ihre Hundesteuer nicht zahlen, und hat einer elfköpfigen Steuerfahnder-Task Force die Lizenz zum Bellen erteilt. Vor geschlossenen Wohnungstüren Verdächtiger dürfen die Fahnder solange kläffen, bis der vierbeinige Steuersünder anschlägt und sein säumiges Herrchen überführt. Diese Methode soll auch in Steueroasen wie Zürich und Vaduz angewandt werden, Deutschland ist ja nun mal das Wunderland der Steuerhinterziehung.

Beliebt aber sind wir vor allem, weil wir aufrecht zu den dunklen Seiten unserer Geschichte stehen. Darum eine gute Nachricht für alle Leseratten: Bald schon wird Adolf Hitlers Hauptwerk »Mein Kampf« wieder in Deutschland erscheinen. Im Jahre 2015, 70 Jahre nach dem Tod des Autors, erlischt sein Urheberrecht. Na, aber dann kommt Leben in die »Spiegel«-Bestseller- liste, mein lieber Herr Gesangverein!

Deutschland. Einfach ein Land zum Gernhaben.

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