Zahme Konkurrenten

CDU-Ministerpräsident Rüttgers und SPD-Herausforderin Kraft hielten sich beim gemeinsamen TV-Duell merklich zurück

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Es sollte eine »einmalige Gelegenheit für die Wähler« in Nordrhein-Westfalen sein. Doch das TV-Duell zwischen Hannelore Kraft (SPD) und Jürgen Rüttgers (CDU) war alles andere als spannend. So richtig in Wallung gerieten die beiden Spitzenkandidaten und potenziellen Koalitionäre nur beim Thema Linkspartei.

Die Debatte um die nordrhein-westfälische Schulpolitik wurde mit heißer Leidenschaft geführt: »Her mit der gemeinsamen Schule für alle!«, so die sozialdemokratische Forderung. Die CDU konterte und warnte vor einer »sozialistischen Einheitsschule« oder gar »Bildungskolchosen«. Die Bürger in Bottrop und Bonn konnten sich an fliegenden Fetzen ergötzen – damals, in den sechziger Jahren.

Knapp ein halbes Jahrhundert später sind die Positionen beider Parteien im Prinzip noch immer die selben. Doch Leidenschaft kommt nimmer auf. Jedenfalls nicht bei Hannelore Kraft (SPD) und Jürgen Rüttgers (CDU), den beiden Spitzenkandidaten der Volksparteien für die nordrhein-westfälische Landtagswahl am 9. Mai. Das wurde am Montagabend deutlich, als der amtierende Ministerpräsident und seine Herausforderin sich im WDR-Fernsehen zu ihrem ersten und einzigen Wahlkampfduell trafen. »Ich will diesen Schulkrieg nicht«, maulte Rüttgers. Die CDU wolle ein unsoziales Schulsystem zementieren, erwiderte Kraft saftlos. Es folgten Zahlenkolonnen. Ein »TV-Duell«, ein »Schlagabtausch«, eine »einmalige Gelegenheit für die Wähler«, wie vom WDR angekündigt, schaut anders aus.

Immerhin: Kraft war stets bemüht, Jürgen Rüttgers, den selbst ernannten »Arbeiterführer«, links zu überholen. Sie plädierte für einen gesetzlichen Mindestlohn (»Schon lange unser Programm«). Obwohl die SPD-Bundestagsfraktion in der vergangenen Legislaturperiode gegen eben jenen Mindestlohn gestimmt hatte. Die ehemalige Unternehmensberaterin der skandalumwitterten Zenith GmbH sprach sich zudem gegen Studiengebühren aus. (»Eine Hürde!«, »Schreckt ab!«). Dabei war es die damalige Wissenschaftsministerin Kraft, die 2003 erstmals Studiengebühren in NRW einführte.

Beiläufig bewies die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende, dass sie mit der politischen Praxis der eigenen Partei nicht vertraut ist. Von einem Zuverdienst von 400 Euro, behauptete Kraft, dürfe ein Hartz-IV-Empfänger 120 Euro behalten. Im real-rauen Leben sind es 160 Euro, weil der zweite, dritte und vierte Hunderter mit einer faktischen Strafsteuer von 80 Prozent belegt werden. Das muss Deutsche-Bank-Boss Josef Ackermann nicht einmal bei der elften Einkommens-Million befürchten. Eine »Totalrevision von Hartz IV«, wie Rüttgers sie kryptisch anmahnte, lehnte Kraft indes ab. Kleinere Korrekturen reichten aus, erklärte sie auf Nachfrage.

Die Moderatoren Jörg Schönenborn und Gabi Ludwig mühten sich redlich und erfrischend respektlos, eine Debatte zu provozieren. Doch bereits vor dem »Duell« schwante Schönenborn: Wichtig sei nicht, »was die beiden sagen, sondern wie sie es sagen«. Die Wie-Frage ist schnell beantwortet: Rüttgers und Kraft vermieden allzu heftige Attacken. Die Option Große Koalition ist nicht die unwahrscheinlichste. »Ich möchte über Inhalte reden!«, betonte der CDU-Mann, ließ der Ankündigung aber selten Taten folgen. Kraft kam selbst beim Thema Sponsoring-Affäre nicht in die Offensive. Dabei ging es doch um die Frage, ob die Politik des Kontrahenten Rüttgers käuflich sei. Das befürchten selbst konservative Medien.

Eine Steilvorlage, die Kraft aber nicht nutzte. Erst als es um die LINKE ging, blühte sie kurzzeitig auf. Erneut träumte Kraft davon, die ungeliebte Konkurrenz könnte den Einzug in den Landtag verfehlen. Dann könnte es für eine rot-grüne Mehrheit reichen. Kraft berief sich auf »jüngste Umfragen«. Einmal, ein einziges Mal, formten sich ihre Lippen zu einem ehrlichen Lächeln. Doch alle Erhebungen seit Juli 2008 sehen die LINKE im Parlament. Mit einer Ausnahme: Das Umfrage-Institut OmniQuest prognostiziert der LINKEN ein Wahlergebnis von unter fünf Prozent. OmniQuest betreibt normalerweise Marktforschung für Banken und Chemie-Konzerne.

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