Kein Arbeitertag für Nazis
Bündnisse wollen bundesweit mit Blockaden rechte Aufmärsche verhindern
Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und aus Schweden wollen am 1. Mai in Berlin mitten durch einen linken Szenekiez marschieren. Die NPD hat eine Demonstration angemeldet, die um zwölf Uhr im Stadtteil Prenzlauer Berg beginnen soll. Gemeinsam mit freien Kameradschaften soll der Marsch unter dem Motto »Unserm Volk eine Zukunft« vom S-Bahnhof Bornholmer Straße über die Schönhauser Allee in Richtung Osten führen. Wie Sebastian Wehrhafen von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) am Donnerstag erklärte, rechnet die MBR mit etwa 2000 Teilnehmern auf Seiten der Nazis.
Das Bündnis »1. Mai nazifrei«, in dem sich zahlreiche Verbände, Parteien und Jugendgruppen zusammengeschlossen haben, will die rechte Demo durch Blockaden verhindern. Jan Landers, Sprecher des Bündnisses, sagte nachdrücklich, dass von den Blockadeteilnehmern keine Eskalation ausgehen werde. Vertreter von Bündnispartnern wie der Antifaschistischen Linken Berlin bestätigten diesen festgelegten Aktionskonsens.
Innensenat und Polizei hatten sich in den vergangenen Wochen zur genauen Route stets bedeckt gehalten, auch liege nach wie vor keine behördliche Bestätigung der Route vor, sagte MBR-Sprecher Wehrhafen. Zur Zeit ist das Bündnis auf die wohl wahrscheinlichste Route vorbereitet, die vom S-Bahnhof Bornholmer Straße über die Wisbyer Straße, die Grellstraße und die Storkower Straße immer parallel zu den S-Bahngleisen bis zur Landsberger Allee führt. Treffpunkte für die anreisenden Teilnehmer der Blockaden sind am Alexanderplatz (Bahnsteig U 2), und am Ostkreuz (Ringbahnsteig), jeweils 9 Uhr am Samstagmorgen.
Die genaue Route wochenlang unter Verschluss zu halten, sei eine nicht hinzunehmende Hinhaltetaktik der Polizei, sagte Matthias Köhne (SPD), Bezirksbürgermeister von Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee. »Im Moment tut die Polizei vieles dazu, den Eindruck zu erwecken, sich nicht neutral zu verhalten«, sagte Köhne. Auch das Bündnis »1. Mai nazifrei« warf Polizei und Senat vor, mit der Geheimhaltung friedliche Gegendemonstrationen erschweren zu wollen.
In der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt wollen NPD und »Freie Kräfte« am 1. Mai für »Arbeit statt Abwanderung« demonstrieren. Ein breites Bündnis von Personen und Organisationen aus Politik, Gewerkschaften und Initiativen will »über alle sozialen, politischen oder kulturellen Unterschiede hinweg« an die Erfahrungen der erfolgreichen Blockaden Mitte Februar in Dresden anknüpfen und den Naziaufmarsch verhindern.
Im gut 150 Kilometer südlich gelegenen Schweinfurt wollen süddeutsche Neonazis aufmarschieren, die sich selbst als »sozialrevolutionäre Nationalisten« bezeichnen und zum »deutschen Arbeiterkampftag« aufrufen. Anmelder ist das »Freie Netz Süd«. Vor den Anbiederungsversuchen der nach Schweinfurt strebenden Nazis, die Hartz IV und Leiharbeit kritisieren, warnt die Schweinfurter Arbeitsloseninitiative (SALI). Diese Sozialdemagogie erinnere an Propagandaphrasen der Hitler-Partei NSDAP. Mit der Forderung nach einem »staatlichem Arbeitsdienst« für Leiharbeiter und Erwerbslose ließen die selbst ernannten »Arbeiterfreunde« die Maske fallen: »Wir werden ihnen einen gebührenden Empfang bereiten«, verspricht SALI-Sprecher Kurt Schneider und nimmt gleichzeitig DGB-Regionschef Frank Firsching in Schutz, der zur Zielscheibe der Neonazis geworden sei.
Firsching ist Mitinitiator des Aktionsbündnisses »Schweinfurt ist bunt«, das aus 64 Gruppen und 650 Bürgern besteht. Er freut sich, dass das Bündnis weit über Gewerkschaften, SPD und LINKE hinaus von der Bayernpartei bis zu linken Gruppen, von der katholischen Kirche über Vereine bis zum Sozialverband VDK reicht. Im 50 Kilometer entfernten Würzburg, wo die Neonazis eine mögliche Ausweichveranstaltung angemeldet haben, hat die CSU anders als in Schweinfurt keine Berührungsängste gegenüber der LINKEN und ruft im Rahmen des Bündnisses »Würzburg ist bunt« mit zur Demonstration auf.
In Rostock hat sich die Front gegen einen NPD-Aufmarsch zumindest rhetorisch geschlossen; auch der regionale DGB unterstützt jetzt den Aufruf eines breiten Bündnisses. Dennoch bleiben die Gewerkschaften bei ihrer Kundgebung am Werftdreieck mit anschließendem Zug zum Gewerkschaftshaus. Aus Enttäuschung über die Bundes- und Landespolitik hatte sich der DGB entschieden, dieses Jahr eine eigene Kundgebung durchzuführen.
Das Bündnis für »Vielfalt statt NPD« veranstaltet derweil von 10 bis 17 Uhr ein Volksfest im »Fischerdorf«, nahe der Demo-Route der Rechten, die sich um 11 Uhr am S-Bahnhof Lütten Klein versammeln wollen. Geplant sind auch Massenblockaden. Teilnehmer, heißt es auf der Mobilisierungsseite www.rostocknazifrei.tk, sollten »so richtig früh aufstehen, Twitter/WAP verfolgen und am besten ihr Handy im Blick haben«. Schon heute startet um 20 Uhr eine Antifademo am S-Bahnhof Lichtenhagen. Dort hatte ein rassistischer Mob im August 1992 tagelang ungestraft eine Asylbewerberunterkunft angegriffen.
Erneut dient auch die Ruhrgebietsmetropole Dortmund am heutigen Freitag den neofaschistischen »Autonomen Nationalisten« als Aufmarschort. Unter dem Motto »Arbeitsplätze und gerechte Löhne für alle Deutschen« wollen sie ab 18.30 Uhr vom Dortmunder Hauptbahnhof aus in den Stadtteil Dorstfeld ziehen.
Dortmunds Antifaschisten wollen die neuerliche Provokation hingegen mittels »massiven Protesten« verhindern. So rufen die Bündnisse »Dortmund stellt sich quer!« und »Dortmund gegen rechts« (www.dortmundquer.blogsport.de) zu einer gemeinsamen Demonstration auf, die ab 17 Uhr gegenüber des Hauptbahnhofes mit einer Kundgebung startet. »Wir werden nicht dulden, dass die braunen Gewalttäter ungestört durch unsere Stadt marschieren«, kündigte Peter Neuhaus, Sprecher von »Dortmund stellt sich quer!«, im Gespräch mit ND an.
Unterdessen ist Dortmunds Polizei mit einem Großaufgebot zugegen, um die örtliche DGB-Demonstration anlässlich des 1. Mai vor Übergriffen der Neonazis zu schützen. Etwa 400 von ihnen hatten im letzten Jahr den Umzug des DGB mit Steinen und Flaschen attackiert, was bundesweit für Empörung sorgte.
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