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Höhere Eigentumsquote? Böse Falle!
Dass Bausparkassen lautstark und penetrant die niedrige Wohneigentumsquote in Deutschland beklagen und vom »Schlusslicht in Europa« sprechen, gehört zum Geschäft dieses Gewerbes. Dass die Bundesregierung schon im Koalitionsvertrag als Ziel vorgibt, die Wohneigentumsquote zu erhöhen, ist Ideologie. Rational nachvollziehbar ist es zumindest nicht.
Um nicht missverstanden zu werden, wer Haus- oder Wohnungseigentum bilden will und sich das leisten kann, soll kaufen oder bauen. Aber der Staat hat sich hier herauszuhalten. Er darf die Wohnform »Eigentum« nicht gegenüber dem Wohnen zur Miete oder in Genossenschaften bevorzugen. Eine Wohnungspolitik, deren Ziel die Erhöhung der Eigentumsquote ist, ist zwangsläufig eine Politik gegen die Mehrheit der Menschen. Denn die Mehrheit wohnt in Deutschland zur Miete. Außerdem gibt es gute Gründe, das Wohnen zur Miete stärker zu fördern. Gerade die letzten Jahre mit Immobilien- und Wirtschaftskrise zeigen die wohnungspolitische Wichtigkeit eines großen Mietwohnungsmarktes.
Wohnen zur Miete spart Flächen und Energie. Wohnen im Eigentum führt dagegen zu einem hohen Flächenverbrauch außerhalb der Stadtzentren. Freistehende Einfamilien- oder Reihenhäuser passen nicht in die Innenstädte. Neubausiedlungen im Umland der Ballungszentren führen zu hohem Verkehrsaufkommen und hohen Infrastrukturkosten. Investoren im Mietwohnungsbau bauen dort, wo die Nachfrage groß ist. Die direkte oder steuerliche Förderung des Wohneigentums lenkt den Wohnungsneubau dorthin, wo Bauland preiswert und ausreichend Freiflächen zur Verfügung stehen. Das sind die Ballungsränder.
Wohnen zur Miete fördert die berufliche Mobilität. Wohneigentum behindert sie. Es schließt den schnellen Wohnortwechsel aus, weil sich die wenigsten Wohnungseigentümer leisten können, neben den Abzahlungen für das Wohneigentum am alten Wohnort eine adäquate Wohnung am neuen mieten zu können.
Die Zeiten, in denen der Wert eines Eigenheimes, eines Reihenhauses oder einer Eigentumswohnung stetig stieg, sind längst vorbei. Der Preis für gebrauchte Eigentumswohnungen ist selbst in wirtschaftlich starken Ballungsregionen allenfalls stabil. Die Preise für gebrauchte Einfamilien- und Reihenhäuser sind in den letzten Jahren stetig gefallen. Viele Häuser sind nur sehr schwer und dann mit erheblichen Preisnachlässen zu verkaufen. In einigen Regionen sind sie fast unverkäuflich.
Aus der Wirtschafts- und Finanzkrise, die eigentlich eine Immobilienkrise war und ist, sollte die Bundesregierung lernen, dass hohe Eigentumsquoten und ein nicht oder nur schlecht funktionie-render Mietwohnungsmarkt zu erheblichen volkswirtschaftlichen Risiken führen. Das gilt vor allem dann, wenn auch gering verdienende Haushalte – möglicherweise mangels Alternative – ins Wohneigentum gedrängt werden und bei kleinsten Änderungen der finanziellen Rahmenbedingungen vor dem Ruin stehen. Wir können froh sein, dass wir im Gegensatz zu den USA, zu Spanien oder England große und qualitativ gute Mietwohnungsbestände haben. Damit das so bleibt, muss auch weiterhin in den Mietwohnungsmarkt und den Wohnungsbestand investiert werden.
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