Und wieder regiert die Krisendiplomatie
Griechische Regierung muss harte Sparauflagen erfüllen / Bundestag soll im Eilverfahren Finanzhilfen beschließen / Neue Kritik an Kanzlerin
Athen/Berlin (Agenturen/ND). Die Anstrengungen, das verschuldete Griechenland vor einer Staatspleite zu bewahren und eine Kettenreaktion unter Euro-Ländern zu verhindern, laufen auf Hochtouren. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) rangen am Donnerstag weiter mit Athen um einen strikten Drei-Jahres-Sparplan, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonierte mit US-Präsident Barack Obama, Finanzexperten forderten schnelle Beschlüsse.
Die EU und der Internationale Währungsfonds drängten Griechenland dazu, sein Haushaltsloch bis Ende 2011 um insgesamt zehn Prozent zu verringern, sagte ein griechischer Gewerkschaftsvertreter am Donnerstag nach einem Treffen mit Regierungschef Giorgos Papandreou in Athen. Verlangt würden Einsparungen in Höhe von 25 Milliarden Euro. Zudem machen EU und IWF dem südosteuropäischen Land eine Kürzung der Gehälter im öffentlichen Dienst zur Auflage. In Verhandlung sei der Wegfall des 13. und 14. Monatsgehalts für Staatsangestellte und Kürzungen für Rentner. Aus Teilnehmerkreisen hieß es zudem, dass eine Anhebung der Mehrwertsteuer um ein bis zwei Prozentpunkte im Gespräch sei.
Nach Angaben von EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn stehen die Verhandlungen kurz vor dem Abschluss. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Gespräche mit der Regierung in Athen in den kommenden Tagen zu einem Ergebnis führen. Die Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und der IWF verhandeln seit zehn Tagen mit Athen über die Hilfen in Höhe von bis zu 45 Milliarden Euro alleine für dieses Jahr. Im Gegenzug muss die Regierung in Athen harte Auflagen erfüllen. Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, rechnet fest mit einem Erfolg der Anstrengungen, das verschuldete Griechenland vor einer Staatspleite zu bewahren.
Derweil scheint die Verabschiedung der deutschen Finanzhilfen für Griechenland bereits in der kommenden Woche im Bundestag gesichert: SPD, Grüne und LINKE kündigten am Donnerstag ihre Zustimmung zu einer Verkürzung der Beratungsfristen für das entsprechende Gesetz an. Angesichts des Ernstes der Lage solle ein Streit um das Verfahren vermieden werden, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier in Berlin. Die Regierung sei bei diesem wichtigen Thema zu spät gestartet und habe wertvolle Zeit verloren. Die Linksfraktion hatte signalisiert, sie werde keinem Gesetz zustimmen, das die Rechte des Parlaments einschränkt und das nicht die Beteiligung privater Gläubiger regelt. Die erste Lesung im Bundestag soll den Planungen zufolge am Mittwoch stattfinden, dann geht der Gesetzentwurf zu weiteren Beratungen in die zuständigen Ausschüsse. Die Schlussabstimmung ist für Freitagvormittag geplant. Der Bundesrat könnte noch am gleichen Tag zustimmen. Dann müsste das Gesetz noch von Bundespräsident Horst Köhler unterzeichnet werden. Der rief am Donnerstag zu Hilfen für Griechenland auf. Deutschland sollte auch in eigenem Interesse einen Beitrag zur Stabilisierung Griechenlands leisten, sagte Köhler beim Münchner Wirtschaftsgipfel des Ifo-Instituts. Gleichzeitig forderte er eine bessere Koordinierung der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitiken innerhalb der EU sowie »einfache und harte Regeln« gegen Spekulanten.
Weitreichendere Konsequenzen fordert die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. Die EU-Länder müssten künftig eine gemeinsame Fiskalpolitik betreiben, forderte die Bremer Ökonomin Mechthild Schrooten. Nur so ließe sich verhindern, dass immer wieder neuer Druck entstehe.
Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) warf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) »schlechtes Krisenmanagement« vor. Dadurch sei der Euro einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt worden. »Die Kanzlerin wollte eine Lösung der Situation in Griechenland auf die Zeit nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen vertagen – diese Rechnung ist nicht aufgegangen«, so Steinbrück.
Angesichts ins Kraut schießender Mutmaßungen über die Höhe des deutschen Anteils an den Hilfen sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), dieser sei noch nicht bekannt. Das werde in den Verhandlungen zwischen IWF, EU und griechischer Regierung erst ausgehandelt. Gleichzeitig äußerte Schäuble die Erwartung, dass die massive Hilfe für Griechenland den deutschen Steuerzahler nicht belasten werde.
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