Absage an die »Sparpläne«
Zehntausende gingen in Athen auf die Straße
Strahlender Sonnenschein, sommerliche Temperaturen und ein Samstag: nicht die besten Voraussetzungen für eine massenhafte Beteiligung an den Demonstrationen zum 1. Mai. Aber von der eigenen Regierung, der EU und dem Internationalem Währungsfonds (IWF) diktierte Einschnitte bei Löhnen sowie sozialen Rechten trieben in Griechenland die Menschen zu Zehntausenden auf die Straße. Zwar wurden die neusten, für die Milliardendarlehen von EU und IWF als Gegenleistung geforderten »Sparmaßnahmen« erst am Sonntag verkündet. Aus den Verhandlungen waren die Hauptbestandteile – neue Erhöhungen bei Verbrauchs- und Mehrwertsteuern, Erweiterung von Kündigungsrechten für Unternehmer bei gleichzeitiger Kürzung der Abfindungen und die Streichung des 13. und 14. Monatsgehalts für Staatsbedienstete – jedoch bereits durchgesickert.
In der griechischen Hauptstadt fanden gleich drei Demonstrationen und ein Konzert statt. Zu letzterem hatten die offiziellen Gewerkschaftsdachverbände in der privaten Wirtschaft (GSEE) und im öffentlichen Dienst (ADEDY) mobilisiert. Die meisten aktiven Gewerkschafter aber waren nicht der Einladung der Dachverbände, sondern einem der drei alternativen Aufrufe gefolgt. Die mit mehreren Zehntausend Teilnehmenden größte Demonstration wurde von der kommunistisch orientierten Gewerkschaftsfront PAME veranstaltet. In der PAME sind zahlreiche Basisgewerkschaften sowie eine Reihe von Branchengewerkschaften Griechenlands zusammengeschlossen. Das Gerede von der Notwendigkeit von Opfern der Lohnabhängigen zur nationalen Rettung sei ein Lüge, erklärte PAME-Sprecher Babis Vagious auf der Auftaktkundgebung direkt vor dem griechischen Parlament. »Warum sollten die Angestellten Opfer bringen, damit die Besitzer der Hotelketten oder die Reeder ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen?«, fragte der Gewerkschafter.
Bei der von Basisgewerkschaften, anarchistischen Gruppen und der außerparlamentarischen Linken getragenen zweiten Demonstration kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, als die Demonstranten versuchten, eine Polizeisperre am Parlament zu durchbrechen. Weder diese kurzen Auseinandersetzungen noch kleineren Straßenschlachten im Anschluss in der Umgebung der Polytechnikum-Universität rechtfertigen jedoch den von internationalen Medien verbreiteten Eindruck massiver gewalttätiger Proteste.
Während bei den Teilnehmern der beiden bisher beschriebenen Demonstrationen neben der Ablehnung der »Sparmaßnahmen« auch der Austritt des Landes aus dem Euro-Verbund und der EU gefordert wurde, waren die Teilnehmer der dritten Demonstration in dieser Frage gespalten. Sie wurde von dem im griechischen Linksbündnis SYRIZA zusammengeschlossenen guten Dutzend Parteien und Organisationen organisiert. Die innerhalb von SYRIZA größte Kraft Synaspismos ist der Meinung, der Kampf »für ein anderes Europa« müsse innerhalb der EU geführt werden. Auch angesichts der jüngsten Entwicklungen setzt sich bei den Schwesterorganisationen dagegen mehr und mehr die Meinung durch, die EU sei nicht zu reformieren.
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