Kreuzberger Straßenschlachten light

Revolutionäre Demonstration verläuft friedlich / Vereinzelt Ausschreitungen im Anschluss

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist noch alles friedlich am Nachmittag dieses 1. Mai in Kreuzberg. Tausende drängen sich durch die Straßen. Von den Bühnen des Myfestes in der Oranienstraße und am Mariannenplatz schallen Reggae, Orientalische Klänge und Punkrock. Überall duftet es nach exotischem Essen. Der Alkohol fließt nicht in Mengen, das Flaschen- und Dosenverbot wird weitgehend eingehalten. Das zumeist junge Publikum trinkt aus Plastikbechern. Doch die Stimmung ist alles andere als ausgelassen, nur wenige tanzen – es ist einfach zu eng. Die Polizei hält sich zurück, hat aber alles im Blick. Kaum bemerkt von der Menge kreist über ihnen ein Polizeihubschrauber in der dunstigen Luft.

Der observiert nicht nur das Fest, sondern vor allem die Vorbereitungen für die Revolutionäre 1. Mai Demonstration, die in den Abendstunden an der Kottbusser Brücke startet. Zwischen den U-Bahnhöfen Kottbusser Tor und Schönleinstraße stehen die Polizeibusse dicht an dicht, viele haben Autokennzeichen aus Hamburg oder Schleswig-Holstein. Die Beamten führen umfassende Vorkontrollen durch. Die Demonstrationsteilnehmer fügen sich und zeigen den Inhalt ihrer Rucksäcke.

Die Kontrollen haben viele aufgehalten. Der Zug setzt sich deswegen eine Stunde später in Bewegung als geplant. Auf dem Demonstrationswagen spielt eine Hip-Hop-Band. Die Teilnehmer schwenken rote Fahnen, vereinzelt auch Flaggen der DKP und der Linksjugend ['solid]. Es geht von Kreuzberg durch Neukölln. Die Route ist auch deswegen gewählt worden, weil hier die Verdrängungsprozesse durch Sanierungen und höhere Mieten, gegen die sich die Demonstration richtet, besonders hoch sind. »Wir sind gegen die Gewalt der freien Marktwirtschaft, die viele Menschenleben zerstört«, brüllt es vom Wagen. »Gegen Kapitalismus – Für die soziale Revolution!« Die Polizei stellt sich den Demonstranten nicht in den Weg.

Am Spreewaldplatz endet der Zug. Am Rand formieren sich gepanzerte Einheiten. Direkt vor ihnen feiern die meisten Teilnehmer friedlich. Doch als die Dämmerung hereinbricht, knallt es auf einmal in der nahe gelegenen Skalitzer Straße. Feuerwerkskörper fliegen gegen Polizeiautos. Immer mehr Schaulustige kommen hinzu und fotografieren.

Um 21 Uhr werden erste mutmaßliche Gewalttäter von der Polizei aus der Menge gezogen und abgeführt. Einige sind am Kopf verwundet. Die Ausschreitungen gehen indes weiter. In der Wiener Straße werden Flaschen auf Einsatzwagen geschleudert. Polizisten gehen daraufhin mit Schlagstöcken gegen Autonome vor. Unbeteiligte, die ihnen dabei im Weg stehen, stoßen sie beiseite.

Doch es bleibt vorerst bei Einzelfällen. Bis in der Nähe des Kottbusser Tores mehrere Mannschaftswagen mit Steinen attackiert werden. Die Beamten verstärken daraufhin ihr Aufgebot. Ein Meer von Blaulichtern bedeckt am späten Abend die Warschauer Straße in Friedrichshain – mehr als 20 Polizeibusse rasen von dort in Richtung Kreuzberg. In der Kottbusser Straße werden sogar Wasserwerfer aufgefahren. Als sich hier nach Mitternacht die Lage beruhigt hat, ziehen sie sich jedoch wieder zurück.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.