Die Fundamente stärken
Solidarische Sozialsysteme wirken in und nach der Krise stabilisierend
Seit Jahren wird der Sozialstaat von den Gläubigern des Marktradikalismus und ihren politischen Vertretern als ineffizient und zu teuer diffamiert. Der Markt müsse vor allem von den sozialstaatlichen »Fesseln« befreit werden, heißt es. Eigenverantwortung und private Vorsorge werden als Gegenmittel angepriesen. Doch ausgerechnet der in vielem schon entfesselte Markt straft seit 2008 seine Propagandisten Lügen. Die frei jeglicher wirklicher politischer und gesellschaftlicher Kontrolle handelnden Banken haben eine globale Finanz- und Wirtschaftskrise verursacht.
Gerade in dieser Situation zeigt sich, dass das viel geschmähte deutsche Sozialversicherungssystem wie ein Stabilisator wirkt. Es hat den Bürgern teilweise soziale Sicherheit geboten und geholfen, die wirtschaftliche Entwicklung zu stützen, wie Studien belegten. Denn durch die gleichbleibenden Zahlungen aus den Sicherungssystemen wurde Kaufkraft erhalten und der Konsum und damit die Binnenwirtschaft abgesichert.
So leistet die Arbeitslosenversicherung einen wichtigen Beitrag, indem sie die Folgen der Krise für den Arbeitsmarkt unter anderem durch die Kurzarbeit mildert. In Ländern wie den USA mit einem kapitalmarktbasierten Alterssicherungssystem führt die Krise zu deutlichen Einkommensverlusten der Rentner. Die deutsche umlagefinanzierte Gesetzliche Rentenversicherung hat das verhindert. Auch bei der Kranken- und Pflegeversicherung hat die Krise deutlich gezeigt, dass ein kapitalmarktgedecktes System unsicherer ist als ein umlagefinanziertes. Bei den Versuchen, die solidarische und paritätisch finanzierte Gesetzliche Krankenversicherung zu demontieren, wird ausgeblendet, dass diese auch Unternehmen und Arbeitgebern nutzt, indem sie die Gesundheitssituation der Beschäftigten sichern und verbessern hilft.
Die Bundesregierung hat aufgeatmet und stolz verkündet, dass die Sozialversicherungssysteme die Krise abfederten. Wobei verschwiegen wurde, dass die Regierenden in der Bundesrepublik, egal in welcher Koalition, seit Jahren die Fundamente der Sozialversicherungssysteme untergraben. Das bleibt nicht ohne Folgen, wie sich unter anderem an den Einnahmeproblemen der Sozialkassen infolge von Massenarbeitslosigkeit und prekärer Beschäftigung sowie abgesenkter Beiträge zeigt. Die Krise und ihre Folgen erhöhen den Druck auf die Sozialversicherungssysteme und stellen eine Belastungsprobe dar.
Zudem führt die fortgesetzte Propaganda gegen den Sozialstaat und der Abbau von Leistungen bei Rente und Gesundheit auch dazu, dass die Bürger den sozialen Sicherungssystemen nicht mehr vertrauen. Den Nutzen hat allein die Finanzwirtschaft, die von der staatlich geförderten privaten Vorsorge profitiert. Das sind aber ausgerechnet diejenigen, die die Krise verursacht haben. Bei ihnen landen die Milliarden, die bisher als Beiträge an die Sozialkassen gingen.
Die Lösung der Probleme der sozialen Sicherungssysteme kann nicht in ihrer Zerstörung zugunsten individualisierter kapitalmarktgedeckter Absicherung liegen. Das ist schon deshalb der falsche Weg, weil immer mehr Menschen wegen geringer Einkommen gar nicht das Geld haben, sich privat abzusichern. Die Alternative ist, die sozialen Sicherungssysteme als Fundament des Sozialstaates und als Stabilisatoren in Krisenzeiten zu stärken. Das kann gelingen, indem die Arbeitslosen- und die Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung umgebaut wird. Die Bürgerversicherung würde helfen, dass die medizinische Versorgung für alle Bürger erschwinglich bleibt. Grundsätzliche Bedingung sind natürlich Maßnahmen der Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik, die zu mehr Arbeitsplätzen und höheren Einkommen führen müssen. Die Vorschläge der Volkssolidarität und anderer dafür liegen auf dem Tisch.
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