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Europa spart sich kaputt
Merkel, Sarkozy und Juncker haben den Spekulanten den Krieg erklärt. Ein 750-Milliarden-Euro- Schutzschirm soll die gemeinsame Währung retten. Mit neuen Krediten, Eurobonds und dem Aufkauf von Staatsanleihen kämpfen die Euroretter gegen die vereinten Zocker dieser Welt. Das ist gut so. Schlecht ist, dass die Finanzmärkte das Euroland überhaupt in Geiselhaft nehmen konnten. Investmentbanken und Hedge-Fonds wetteten monatelang mit Kreditderivaten auf die Pleite kriselnder Euroländer. Rating-Agenturen, die noch kürzlich Schrottpapieren Bestnoten gaben, orakelten über die Zukunft demokratischer Staaten. Die Politik sah tatenlos zu. Deshalb mussten Athen, Madrid und Lissabon für frische Kredite Wucherzinsen zahlen. Der Staatsbankrott drohte zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung zu werden.
Nun kauft der Rettungsschirm Zeit. Die Atempause muss genutzt werden, um die Staatsfinanzen von den Kapitalmärkten zu entkoppeln. US-amerikanische und japanische Regierungen finanzieren sich seit Jahrzehnten direkt über ihre Zentralbank. So können die Staatsfinanzen dem Zugriff der Spekulanten entzogen werden. Darüber hinaus sollten wir den Spekulanten ihr Spielzeug wegnehmen. Der Markt für Kreditausfallversicherungen muss geschlossen werden. Sie schaffen nur eine Scheinsicherheit. Keine Versicherung der Welt kann eine Staatspleite bezahlen. Rating-Agenturen müssen entmachtet werden. Die Bonität von Staaten sollte künftig die Zentralbank bewerten.
Damit aber nicht genug. Die Spekulanten surfen nur auf einer Welle. Der Sturm kommt aus der Realwirtschaft. Das Euroland ist tief gespalten. Die Starken werden stärker, die Schwachen schwächer. Im Handel mit den Mitgliedsstaaten hat sich der deutsche Überschuss seit 1998 verfünffacht. Dem deutschen Überschuss entsprechen auch die südeuropäischen Defizite. Die Kundschaft deutscher Exporteure bekommt die Waren aber nicht geschenkt. Damit sie weiter zahlen können, kaufen unsere Banken griechische und spanische Schuldscheine. Folglich häuft der »Club-Med« Schulden an. Die Finanzkrise besorgt den Rest. Diese Ungleichgewichte werden nur abgebaut, wenn Südeuropa wirtschaftlich leistungsfähiger wird. Der Süden muss aus dem Schuldenberg herauswachsen.
Die Chancen dafür stehen schlecht. Denn Merkel, Schäuble & Co. wollen die Südeuropäer zu schwäbischen Hausfrauen umerziehen. Geld gibt es nur, wenn beinhart gespart wird. Athen, Lissabon und Madrid schnürten milliardenschwere Sparpakete. Der Schuldenknüppel trifft Arbeitnehmer, Arbeitslose, Rentner. Ihnen drohen Lohn- und Rentenkürzungen sowie weiterer Sozialabbau. Gespart wird auch bei öffentlichen Investitionen. Diese Sparpolitik hat katastrophale Folgen: Wachstum und Steuereinnahmen werden sinken, Arbeitslosigkeit und Schulden steigen. Sobald die teutonischen und gallischen Sparkommissare auf die Bremse treten, können Griechen und Spanier nicht einmal mehr exportieren. Die Eurozone droht unter Brüsseler und Berliner Spardiktat zur Deflationsgemeinschaft zu degenerieren. Soweit darf es nicht kommen. Die Sparpakete müssen vom Tisch. Stattdessen muss die größte Euro-Volkswirtschaft jetzt Konjunkturlokomotive spielen. Deutschland muss durch steigende Löhne und mehr öffentliche Investitionen seinen Binnenmarkt ankurbeln. Das hilft auch unseren südlichen Nachbarn.
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