Nur zwei Männer haben eine Chance

Polen richtet sich auf spannenden Präsidentschaftswahlkampf ein

  • Holger Politt, Warschau
  • Lesedauer: 4 Min.
Zwischen zehn Männern werden die Polinnen und Polen am 20. Juni zu wählen haben. Doch nur zwei dürfen sich eine Chance ausrechnen, Präsident zu werden.

Wenn in Polen am 20. Juni ein neuer Präsident gewählt wird, stehen auf den Wahlzetteln die Namen von lauter Männern. Zuletzt, 2005, hatten es immerhin noch zwei Frauen versucht. Während die Liberale Henryka Bochniarz mit einem niedrigen einstelligen Ergebnis stecken blieb, war die Sozialistin und Bürgerrechtlerin Maria Szyszkowska bereits knapp an der erforderlichen Unterschriftenzahl gescheitert, mit der die gesellschaftliche Unterstützung für die Kandidatur nachgewiesen werden soll. Also ist es derzeit in Polen um die Teilhabe von Frauen am politischen Prozess nicht besser als an vielen anderen Orten bestellt.

Von den Männern, die antreten, haben nur zwei gute Aussichten, die Stichwahl zu erreichen. Die gesellschaftliche Stimmung, die das Land im Augenblick beherrscht und polarisiert, räumt den anderen kaum Chancen ein. So wird den Bürgern letztlich nur die Wahl zwischen Jaroslaw Kaczynski und Bronislaw Komorowski bleiben. Dieser Zweikampf wird das politische Leben des Landes in den kommenden Wochen dominieren und alles andere in den Schatten stellen. Um eine hohe Wahlbeteiligung braucht sich niemand sorgen.

Beide Kandidaten tragen erkennbar und ungeniert ihr Parteischild in der Absicht voran, sich deutlich vom anderen abzugrenzen. Die besseren Karten besitzt augenblicklich der Kandidat der regierenden Bürgerplattform (PO), kann er sich doch auf eine Stimmung stützen, die ein hochrangiger Parteifreund so ausdrückte: Die Leute fürchteten eine neuerliche Machtposition Jaroslaw Kaczynskis. Dieser wiederum ist nun mit dem Gepäck seiner Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) tatsächlich sehr viel weiter von dem Anspruch entfernt, ein Präsident aller Polen sein zu können. Bereits seinem verunglückten Zwillingsbruder fiel diese diplomatische Übung im Amte sichtbar schwer.

Jaroslaw Kaczynski wird versuchen, deutlich zu machen, dass es dem Land stets besser bekommt, wenn überhaupt klar ist, was den Präsidenten umtreibt und wofür er steht. Bei ihm steht an erster Stelle ein starkes, selbstbewusstes und stolzes Polen. Sofort hieß es in den Medien, er wolle die Idee der »Vierten Republik« wiedererwecken. Doch diese Vision wurde zusammen mit seinem Zwillingsbruder auf dem Wawel hoch über Krakow endgültig beigesetzt und mit 21 Böllerschüssen feierlich verabschiedet. Jaroslaw Kaczynski reichen die Grundpfeiler, die Vision selbst muss er nicht noch einmal bemühen.

Seinem Verständnis nach müsste die Republik konservativer, das heißt also geschichtsbewusster, patriotischer, moralischer und sozialer zugeschnitten sein. Sein Pech indes ist, dass er auf diesen Feldern gegen Komorowski nur bedingt wird polarisieren können. Der nämlich steht entschieden für den konservativen Flügel der PO, erfreut sich keiner grundsätzlich schlechteren Beziehungen zum Klerus, ist in den für das patriotische Selbstbewusstsein entscheidenden Geschichtsfragen sattelfest und wird die Schieflage im Verhältnis Staat-Kirche, die an vielen Orten jeden Tag der geschriebenen Verfassung eigentlich Hohn spricht, nicht um einen Deut begradigen wollen.

Lediglich auf der sozialen Seite scheint Kaczynski im Vorteil, darf er sich doch über die demonstrative Unterstützung der Gewerkschaft »Solidarnosc« freuen. Doch deren Vorsitzender argumentiert bei Gelegenheit des Wahlkampfes auch auf der Ebene von Symbolen und Werten. Bei den Arbeitnehmerinteressen hält er sich zurück. Außerdem war im Duett der Zwillingsbrüder für das Soziale immer Lech der Zuständigere. Und Komorowski kann darauf verweisen, in seinem Wahlkomitee mit Lech Walesa und Tadeusz Mazowiecki zwei Prominente an der Seite zu haben, die in der Öffentlichkeit als Symbolfiguren der ersten, der heroischen »Solidarnosc« gelten. Da Komorowski in den Umfragen immer noch einen deutlichen Vorsprung hat, warten viele auf die ersten Angriffe des PiS-Vorsitzenden. Der jedoch scheint warten, auf Zeit spielen zu können.

Vieles spricht überhaupt für eine Wahlkampagne, bei der die Hauptgestalten sich vor allem in Zurückhaltung üben werden. Die schärferen Attacken auf den politischen Gegner werden aus den Komitees, aus der zweiten Reihe kommen. Zudem kündigten beide Lager bereits an, erst vor der Stichwahl das öffentliche Streitgespräch zu suchen. Vorher ergäben Debatten keinen Sinn. Und so beginnt sich das Land entlang einer Streitlinie zu sortieren, die bereits seit Sommer 2005 das politische Leben bestimmt. Wenig Hoffnung einstweilen für andere politische Positionen.

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