Restriktiver Euro-Masterplan

Merkel, Schäuble und Brüderle machen sich für Aushebelung demokratischer Strukturen stark

  • Dieter Janke
  • Lesedauer: 4 Min.
Während die Debatten über das vermeintliche Euro-Rettungspaket hohe Wellen schlagen, fand ein interner Masterplan der Bundesregierung bislang kaum Beachtung. Mit verschärften Restriktionen und dem Aushebeln demokratischer Strukturen soll die Gemeinschaftswährung zukünftig stabilisiert werden.

Medienbericht zufolge sollen sich Kanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) sowie Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) bereits in der vergangenen Woche vertraulich auf eine Neunpunkteprogramm zur Stabilisierung des Euro verständigt haben. Dieses soll Verhandlungsgrundlage für die in der kommenden Woche geplanten Beratungen mit den Staats- und Regierungschefs der anderen Mitgliedsländer werden.

Das Papier fasst bereits bekannte Detailvorschläge zusammen und spitzt diese noch zu. Zur Diagnose der gegenwärtigen Lage heißt es hier, Griechenland habe die geltenden Verträge »in grober Weise« verletzt. Eine solche Krise, für die die Gemeinschaft der Euro-Zone in ihrer bisherigen Form nicht gewappnet sei, dürfe sich nicht wiederholen. Deshalb müsse der 1992 in Maastricht vereinbarte Stabilitätspakt einer tiefgreifenden Reform unterzogen werden. Um vergleichbare Haushaltsprobleme künftig zu vermeiden, sollen die wirtschafts- und finanzpolitischen Kontrollmechanismen verbessert und ein Rechtsrahmen für eine geordnete staatliche Insolvenz geschaffen werden. Im Zentrum des internen Papiers der Bundesregierung steht eine verschärfte Kontrolle der Haushalte der Euro-Staaten, die »einer strengeren, unabhängigen Prüfung« unterzogen werden sollen. Nach den rein technokratischen Vorstellungen soll dafür nicht mehr nur die Europäische Kommission sondern auch die Europäische Zentralbank (EZB) oder ein »beauftragter Kreis unabhängiger Forschungsinstitute« zuständig sein. Nach der Lesart von Merkel, Schäuble und Brüderle haben die bisherigen Sanktionsmechanismen versagt; sie müssten deshalb rascher und effizienter wirksam werden. Zukünftig sollen deshalb vermeintliche Defizitsünder mit härteren Maßnahmen rechnen müssen: »Euro-Mitgliedsstaaten, die sich nicht an die Vorgaben zum Defizitabbau halten, sollten vorübergehend keine weiteren EU-Strukturmittel bewilligt bekommen.« Im Extremfall wird sogar mit deren unwiderruflicher Streichung gedroht.

Darüber hinaus, so die fundamentalistischen Vorstellungen der internen Berliner Runde, müssten sogar Souveränitätsrechte der betreffenden Euro-Länder zu Disposition gestellt werden. So sollen Verstöße gegen das gemeinsame Regelwerk zukünftig mit dem Entzug der Stimmrechte im Europäischen Rat geahndet werden. Als letztes Mittel sollen nach dem Berliner Euro-Stabilisierungsplan Staaten mit ernsthaften Liquiditätsproblemen in Insolvenz gehen können. Faktisch bedeutet das die Kaltstellung ihrer demokratischen Strukturen auf finanzpolitischem Gebiet, sie stünden unter Kuratel der Europäischen Kommission.

Kanzlerin Merkel will, nachdem sie durch ihrer Verzögerungstaktik bei der Griechenland-Hilfe auch auf dem EU-Parkett heftiger Kritik ausgesetzt war, mit dem Neunpunkteplan europapolitisch wieder in die Offensive kommen. Bei EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, der jüngst forderte, Deutschland solle mit seiner Vorbildrolle den Euro aus der Krise führen, kann sie damit wahrscheinlich punkten. Der ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hingegen lehnt die von der deutschen Regierung geforderte Änderung der EU-Verträge ab. »Man wird nicht den Leidensweg einer Änderung der Verträge wieder von vorne anfangen. Es gibt andere Dinge zu tun.«


Zahlen & Fakten

Das nun beschlossene »Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus« regelt die deutsche Beteiligung am Euro-Rettungspaket. Dieses umfasst Hilfen von bis zu 750 Milliarden Euro. Zunächst kann die EU-Kommission 60 Milliarden aus dem Haushalt bereitstellen. Reicht die Summe nicht, garantieren die Euro-Staaten für Kredite von bis zu 440 Milliarden Euro. Dazu wird befristet eine Zweckgesellschaft nach luxemburgischem Recht gegründet, die Kapital aufnehmen und Kredite an bedrohte Länder weiterreichen soll. Der Vertrag dazu ist noch nicht fertig. Der IWF schließlich steuert bis zu 250 Milliarden Euro bei.

Der Garantierahmen der Euroländer richtet sich nach ihrem Kapitalanteil bei der EU-Zentralbank – für Deutschland rund 28 Prozent, also bis zu 123 Milliarden Euro. Dazu käme ein Risikopuffer (Deutschland: bis zu 25 Milliarden), wenn stärkere Staaten für klamme einspringen. Die Zusagen sollen bis 30. Juni 2013 befristet sein. Die Euro-Staaten müssen Notkredite einstimmig genehmigen. Es gelten Auflagen, auch der Bundestag (Budgetrecht) soll einbezogen werden.

Kosten entstehen für Deutschland zunächst nicht. Die Steuerzahler haften aber für das Risiko. Werden Notkredite zurückgezahlt, macht der Bund durch die Zinseinnahmen sogar ein gutes Geschäft. dpa/ND

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