Polens Premier verweigert Notstand
Zweite Woche der Hochwasserkatastrophe / In Polen starben bislang 15 Menschen im Hochwasser
In langen, zwei- bis dreitägigen Schüben nähern sich die Fluten den Mündungen der Flüsse. Das Hochwasser der Weichsel erreicht nach Vorhersagen am Mittwoch Grudziadz und Tczew, an der Oder hat der Scheitel der Flut Glogow passiert und treibt nun in Richtung der Grenze zu Deutschland.
Die wichtigsten Informationen werden derweil von den Wetterkundlern erwartet. Am Dienstagmittag meldete das Staatliche Meteorologische Institut in Warschau, dass ein skandinavisches Tief in den nächsten Tagen Niederschläge erwarten lasse. Obwohl nicht so intensiv wie in der Monatsmitte, könnten Regen und Hagel im Vorgebirge der Karpaten wie auch in der Landesmitte die Lage erschweren. Stürme an der Ostsee bereiten ebenfalls Sorge: Sie könnten nämlich die Weichselfluten zurückdrängen und den Abfluss bremsen.
Bis Dienstag wurden in Polen 15 Todesopfer beklagt. Was zigtausende Evakuierte betrifft, so sind deren Lebensbedingungen geradezu erbärmlich. Sie hocken in verschiedenen Notquartieren – Schulen, Kulturhäusern und Lagerhallen – »wie im Krieg«, wie ein Mann aus einem wasserumschlossenen Dorf bei Sandomierz klagte. Ein anderes Problem ist die Lebensmittelversorgung jener Überschwemmungsopfer, die auf ihren Gehöften ausharrten, um ihr Hab und Gut zu schützen. Manche mussten mit Hubschraubern von den Dächern gerettet werden.
Innenminister Jerzy Miller appellierte am Dienstag an die Evakuierten, noch nicht in ihre Häuser und Dörfer zurückzukehren. Da lauerten verschiedene Gefahren und »Überraschungen«. Man wisse nicht, wie sich durch das Hochwasser die Bodenverhältnisse geändert haben. Die überschwemmten Gebiete würden durch Polizeipatrouillen vor etwaigen Dieben geschützt.
Vor Seuchengefahr warnte am Dienstag Polens oberster Gesundheitsinspektor. Jeder Fall von Durchfall, Magenschmerzen, Erbrechen, Fieber müsse sofort ärztlich behandelt werden. Das stehende Hochwasser ist biologisch und chemisch verunreinigt. Tierkadaver müssten schnellstens geborgen werden.
Seit Montag wird die Höhe der Schäden in Betrieben, an der Infrastruktur und in privaten Haushalten ermittelt. Dabei stellte sich heraus, dass nur sieben Millionen Polen ihr Hab und Gut versichert haben – die wenigsten davon sind Kleinbauern in landwirtschaftlichen Regionen des Südens.
Premier Donald Tusk will indes auf eine Haushaltsergänzung verzichten. Er habe zwei bis drei Milliarden Zloty »Reserve« gefunden. Den Katastrophennotstand, den bereits um die 50 Prozent der Bevölkerung verlangen, will er ebenfalls nicht ausrufen. Polen sei auch in schwierigen Zeiten imstande, Wahlen – wie die Präsidentschaftswahlen am 20. Juni – durchzuführen.
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