Echten Nürnbergern auf der Spur

Auf Bratwurstführung mit einem Experten

  • Andreas Steidel
  • Lesedauer: 4 Min.
Was ist das Geheimnis der Nürnberger Rostbratwurst? Wer will, kann auf den Spuren der berühmten kleinen Brutzler durch die Frankenmetropole spazieren.

Ein Hauch von Majoran liegt in der Luft. Würziger feiner Rauch zieht durch das Schummerlicht der Gaststube. Dutzende von kleinen Schweinswürsten brutzeln über dem offenen Feuer, ab und an schiebt der Grillmeister einen Scheit Buchenholz nach. Das »Bratwursthäusle« gleich neben der Sebalduskirche im Burgviertel ist das Paradebeispiel einer traditionellen Nürnberger Bratwurstküche.

Hier werden frische Nürnberger Rostbratwürste noch über dem offenen Buchenholzfeuer gegrillt. Sie dürfen weder vorgebrüht noch vorfrittiert noch in der Pfanne zubereitet sein. Serviert werden sie in vorgeschriebener Zahl von sechs, acht, zehn oder zwölf Stück auf einem Zinnteller, üblicherweise mit Meerrettich, der Senf ist ein Zugeständnis an den Tourismus und moderne Essgewohnheiten. »Wenn Sie es einmal mit Meerrettich probiert haben, wollen Sie nie wieder etwas anderes.«

Der das sagt, ist der Gralshüter des Nürnberger Bratwurstgeheimnisses. Dr. Hartmut Frommer, Vorsitzender des Schutzverbandes Nürnberger Rostbratwürste, hat es 2004 tatsächlich geschafft, die kleinste aller Bratwurstsorten von der EU patentieren zu lassen: Seitdem darf nur noch Nürnberger Bratwurst heißen, was wirklich aus Nürnberg kommt. Eine streng geschützte Herkunftsbezeichnung, die keinerlei Formulierungshintertüren offenlässt.

Frommer lacht diebisch, wenn er vom praktischen Nutzen solch juristischer Spitzfindigkeiten berichtet. So hat der Wirt des »Nürnberger Bratwurstglöckleins« in München seine in München hergestellte Bratwurst »Original Rostbratwurst aus dem Nürnberger Bratwurstglöcklein zu München« genannt. Er musste es wieder zurücknehmen, der Begriff Nürnberg und Bratwurst darf nur von dem in Verbindung gebracht werden, der die Schweinswürste nach klassischer Rezeptur auch in Nürnberg produziert. Werner Behringer, der Wirt des Bratwursthäusles gehört dazu, aber auch Florian Hoeneß, Sohn des FC-Bayern-München-Präsidenten, der die größte Bratwurstfabrik in Nürnberg besitzt.

All das erzählt Hartmut Frommer den Besuchern aus nah und fern, die mit ihm auf Bratwurstführung gehen: Seit 2004 gibt es alljährlich im Juni ein Bratwurstdorf in Nürnberg, mit Musik, Kulinarik und Rundgängen auf den Spuren der leckeren kleinen Exportschlager. Überdies hat Frommer für Individualisten eine Broschüre mit den wichtigsten Stationen der Führung herausgegeben.

Danach weiß man, dass das »Bratwurstglöcklein« hinter der Sebaldus-Kirche einst eines der berühmtesten Gasthäuser Deutschlands war, ehe es 1944 zerbombt wurde. Dass Einheimische gerne in das in der Brunnengasse versteckte »Bratwurstherzle« mit seinem antiquierten Charme gehen. Und dass die im Essig-Zwiebelsud zubereiteten sauren Zipfel eine Bratwurst-Spezialität sind, die Touristen bedauerlich oft verschmähen. Zum Abschluss zieht Bratwurstwächter Frommer gerne ein Stimmgabel ähnliches Messgerät aus der Tasche, mit dem er zuweilen bei Fleischereien auftaucht und Maß nimmt: Nicht kürzer als sieben und nicht länger als neun Zentimeter darf die Nürnberger Bratwurst sein, die gerade einmal 25 Gramm wiegt und selbst im Slow-Food-Bereich eine Chance auf Beachtung hat. Zumal sie traditionell aus keiner Brätmischung, sondern sortenrein aus mit Majoran gewürztem Schweinfleisch hergestellt wird.

Ein echter Nürnberger Bratwurstklassiker ist übrigens keineswegs so traditionell wie man meinen könnte: Die überall präsenten »Drei im Weckla« (drei Rostbratwürste im Brötchen) sind eine Erfindung der Imbissbudenbetreiber aus den Sechziger- und siebziger Jahren des Wirtschaftswunders.

  • Bratwurstspaziergänge: Führungen mit Hartmut Frommer beim Nürnberger Bratwurstdorf (8. bis 13. Juni 2010). Die Touren finden am 11., 12. und 13.Juni jeweils um 15 Uhr statt. Auf eigene Faust mit der Broschüre »Der Bratwurstspaziergang«, die für 2,50 Euro plus Porto beim Schutzverband Nürnberger Bratwürste bestellt werden kann. Tel.: (0911) 93 73 877, www.nuernberger-bratwuerste.de
  • Hier gibt’s die besten Bratwürste in Nürnberg: »Bratwursthäusle« neben der Sebalduskirche mit eigener Wurstküche. Der Wirt betreibt auch das »Goldene Posthorn« auf der anderen Seite der Kirche und das »Bratwurstglöcklein« im Handwerkerhof, www.die-nuernberger-bratwurst.de; »Zum Gulden Stern«: Eines der ältesten Gasthäuser (Zirkelschmiedgasse); das Bratwurstrestaurant mit dem schönsten Ambiente,(www.bratwurstkueche.de; »Bratwurstherzle« in der Brunnengasse (Nähe Lorenzkiche) sehr traditionell, www.bratwurstherzle.de
  • Allgemeine Auskünfte: Congress- und Tourismus-Zentrale Nürnberg, Tel.: (0911).233 60, www.tourismus.nuernberg.de
Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.