Merkel will schlanken Haushalt
Berlin (ND-Kalbe/Agenturen). Einen drastischen Kurswechsel kündigten vor Beginn der Beratungen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Vizekanzler Guido Westerwelle an. Beide machten deutlich, dass ihre Überlegungen auf »die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland in den nächsten Jahren« ziele. Es geht um Etat-Einsparungen von rund 51 Milliarden bis zum Jahr 2016. Die Beratungen, die vom geplanten Tagungsort im brandenburgischen Meseberg ins Kanzleramt verlegt worden waren, hatten bereits ihre Schatten in Form zahlloser Vorschläge aus den verschiedenen ministeriellen Bereichen geworfen. Deutlich wurde, dass die Ideen zur Verschlankung des Haushaltes jene über eine Erhöhung der Staatseinnahmen überwiegen. Eine von der CSU ins Spiel gebrachte Erhöhung des Spitzensteuersatzes wurde von der Kanzlerin indirekt kassiert.
Auch wenn Merkel und Westerwelle Steuererhöhungen zur Sanierung der Staatsfinanzen nicht ausschlossen, ließen sie keinen Zweifel an ihrer Prioritätensetzung. »Jetzt ist eine Zeit des Sparens angesagt«, meinte der Vizekanzler und Bundesaußenminister. Die Ausgaben müssten den Einnahmen folgen und nicht umgekehrt. Die Zeit, in der Deutschland über seine Verhältnisse lebe, sei vorbei. Nach den Worten von Finanzminister Wolfgang Schäuble steuert die Regierung damit »rechtzeitig um – gegen eine verhängnisvolle Entwicklung«. Und Merkel umschrieb die Folgen nebulös mit den Worten, die Regierung wolle eine Politik gestalten, »die auf Wachstum setzt, die auf Zukunft setzt«, die zudem »den Menschen Arbeit bringt und die Rahmenbedingungen für Arbeit besser macht«.
Die Politik des letzten Jahrzehnts zeigt, was hierunter gern verstanden wird: eine Erhöhung des Drucks auf Arbeitnehmer und Arbeitslose etwa durch Ausdehnung des Niedriglohnsektors und Einsparungen in der Arbeitsmarktpolitik. So machte die FDP den Vorschlag, die Dauer des Bezuges von Arbeitslosengeld I für ältere Betroffene zu verringern sowie Förderbeträge zu kürzen. Es gehe auch darum, Instrumente der Sozialpolitik »effizienter zu gestalten«, sagte Merkel. Einen prägnanten Kommentar hatten die Naturfreunde Deutschlands im Vorfeld mit dem Satz geliefert: »Der dumme Spruch ›Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt‹ mag ja für Fondsmanager und Banker gelten – aber für die große Mehrheit der Bevölkerung ist er falsch.«
Bildung und Forschung blieben für die Regierung Schwerpunkte, lautete Merkels Auskunft weiter. Doch selbst die vereinbarten Bildungsinvestitionen stellten Ministerpräsidenten der CDU bereits in Frage. Offene Konflikte zwischen den Koalitionspartnern lagen zu Beginn der Beratungen zuhauf vor, einen der größten bildet die Finanzierung des Gesundheitssystems.
Der Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, forderte vor der Klausur, »unsinnige Steuergeschenke« wie die ermäßigte Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen zurückzunehmen. Die LINKE warf Merkel Wahlbetrug vor. Vorsitzender Klaus Ernst forderte deshalb eine Regierungserklärung; Merkel habe vor der Bundestagswahl mehrfach geleugnet, dass Schwarz-Gelb Sozialabbau plant.
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