Liberale zieht's zu Gauck
Teile der FDP liebäugeln mit einer Wahl des rot-grünen Bundespräsidenten-Kandidaten
Berlin (dpa/ND). Mehrere Politiker aus dem Lager von Union und FDP haben eine Unterstützung des Oppositionskandidaten für das Bundespräsidentenamt, Joachim Gauck, in Aussicht gestellt. Der sächsische FDP-Chef Holger Zastrow sagte, es gebe nicht zuletzt wegen der großen Anerkennung für den DDR-Bürgerrechtler Gauck keinen Freibrief für den Kandidaten der schwarz-gelben Koalition, Niedersachsens Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU).
Besonders die Liberalen in Ostdeutschland hadern mit der Entscheidung für Wulff und bekunden ihre Sympathien für den Kandidaten von SPD und Grünen. »Joachim Gauck ist ein Vertreter der ostdeutschen Seele. Darüber muss man schon nachdenken«, sagte Zastrow. Die FDP in Sachsen wird in der kommenden Woche entscheiden, wie sie am 30. Juni in der Bundesversammlung abstimmt.
Die FDP in Thüringen hat dies nach den Worten ihres Generalsekretärs Patrick Kurth ebenfalls noch nicht geklärt. »Die Parteiführung muss deutlich machen, welche strategischen Vorteile die Kür Wulffs für uns bringt«, sagte Kurth dem »Spiegel«.
Sympathien für den von SPD und Grünen vorgeschlagenen früheren Chef der Stasi-Unterlagenbehörde Gauck (parteilos) äußerte auch der ehemalige brandenburgische CDU-Vorsitzende Jörg Schönbohm. »Ich frage mich, warum es nicht möglich war, sich im bürgerlichen Lager mit der SPD auf Gauck zu einigen«, sagte Schönbohm. Der Generalsekretär der CDU Brandenburg, Dieter Dombrowski, ließ dagegen keine Zweifel an der Unterstützung Wulffs bei der Wahl .
Wie die Liberalen in Sachsen ging auch der FDP-Fraktionschef im Landtag von Sachsen-Anhalt, Veit Wolpert, auf Distanz zu Wulff. »Wir werden in der Fraktion darüber zu sprechen haben, ob wir trotz Bedenken mit Herrn Wulff leben können«, sagte Wolpert. Er sprach von einer großen Verärgerung darüber, dass die Länder von FDP-Parteichef Guido Westerwelle nicht in die Entscheidungsfindung einbezogen wurden. Auch von den Liberalen in Bayern und Baden-Württemberg gab es Kritik an Wulffs Kandidatur. Die FDP-Landesverbände Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sprachen sich dagegen eindeutig für Wulff aus. SPD und Grüne rechnen nach eigenen Angaben bei der geheimen Abstimmung mit Abweichlern innerhalb der schwarz-gelben Koalition.
Die LINKE, die bisher eine Wahl Gaucks ablehnte, wird nach Ansicht ihres stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch möglicherweise auf die Nominierung eines eigenen Kandidaten verzichten. »Wir müssen alle Optionen sehr ernsthaft prüfen«, sagte Bartsch. Er plädiere »für ein geschlossenes Agieren aller 125 Wahlfrauen und -männer der Linkspartei«. Der Fraktionschef der LINKEN im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, erklärte gegenüber dem »Tagesspiegel«: »Wenn Herr Wulff in den beiden ersten Wahlgängen keine Mehrheit bekommt, behalte ich mir vor, was ich im dritten Wahlgang mache.« Gauck sei jedoch bisher lediglich als Aufklärer und nicht als Versöhner hervorgetreten, so Ramelow.
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