Großes Nervenflattern bei Opel

Verweigert Berlin die Bürgschaft, ist eine Schließung der deutschen Standorte nicht ausgeschlossen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor der für heute erwarteten Entscheidung des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) über eine Staatsbürgschaft hält das Zittern der Opel-Belegschaft um die Zukunft der Betriebe und Arbeitsplätze an.

Für unerträglich halten viele Opelaner, dass sie seit 20 Monaten einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt sind und trotz angebotener Lohnopfer weiter in Unsicherheit verharren. Allerdings ist kein »Plan B« von IG Metall und Betriebsrat für den Fall sichtbar, dass das BMWi eine Bürgschaft verweigert. Die Gewerkschafter befürchten, dass der US-Mutterkonzern General Motors ein Nein aus Berlin zum Anlass nehmen könnte, um die Opel-Standorte Bochum, Eisenach und Kaiserslautern in Frage zu stellen. Für die bereits von einer Deindustrialisierung gezeichneten Regionen käme dies einer Katastrophe gleich. Die Schließung des Werks im belgischen Antwerpen ist bereits besiegelt.

So forderte der Thüringer Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) die Bundesregierung am Dienstag auf, »nicht länger mit gezinkten Karten zu spielen« und die Bürgschaft zu bewilligen. Der Eisenacher Opel-Betriebsratschef Harald Lieske warnte vor den Folgen von Werksschließungen für Zulieferer, die von Opel jährlich Aufträge in Höhe von fünf Milliarden Euro bekämen. Betriebsrat, IG Metall und BMWi hielten sich am Dienstag auf ND-Anfrage bedeckt.

Manche Beobachter wundern sich über die Disziplin und Ruhe, die auch bei der Kundgebung von über 1500 Opel-Beschäftigten am Montag vor der Frankfurter Börse spürbar war. Arbeiter aus Eisenach, Bochum und Kaiserslautern hatten lange Anfahrten auf sich genommen. Doch nach genau einer halben Stunde war die Veranstaltung beendet und die Metaller wurden aufgefordert, schnellstmöglich die Busse aufzusuchen und die Heimreise anzutreten. »Eine kämpferische Demo mit Aufbruchsstimmung sieht anders aus«, kommentierte ein erfahrener Gewerkschafter die Veranstaltung. Er nahm die Demo vor der Börse als »perspektivlose Pflichtübung vor laufenden Kameras« wahr.

Während zeitgleich der Ärzteverband Marburger Bund durch die Bankenmetropole zog, räumten die Metaller das Pflaster und nutzten die Zeit weder für einen Marsch durch die City noch für einen Erfahrungsaustausch zwischen Arbeitern verschiedener Standorte. Auffällig auch, dass bis auf Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz und IG-Metall-Chef Berthold Huber niemand zu Wort kam. Der hessische DGB-Chef Stefan Körzell war anwesend und hatte sich vorab schriftlich solidarisiert. Doch Körzell wurde weder offiziell begrüßt noch um ein Grußwort gebeten.

Angesichts mangelnder Diskussionen über alternative Strategien und Pläne hoffen nun vielleicht manche Opelaner am Stammsitz Rüsselsheim insgeheim, dass der Kelch einer Schließung an ihnen vorübergeht. Vorbei sind die Zeiten, da sich Politiker wie Angela Merkel, Roland Koch und Frank-Walter Steinmeier als »Verbündete« der Opelaner feiern ließen. Zurück bleibt der schale Geschmack, dass ihre Worte folgenlos blieben und die Hoffnung auf eine Rettung von oben das Nachdenken über andere Alternativen von unten blockiert haben mag.

So kommt die in der IG-Metall-Satzung als Ziel verankerte Forderung nach Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum in den Köpfen maßgeblicher IG-Metall-Funktionäre und Opel-Betriebsräte derzeit nicht vor. Ebenso wenig die angesichts globaler Überkapazitäten naheliegende Idee einer Umrüstung von spritfressenden Pkw auf ökologische Verkehrssysteme. Auch die Idee einer Staatsbeteiligung mit Sperrminorität nach VW-Modell hat Klaus Franz offenbar aufgegeben.

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