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- Beilage Fußball-WM 2010
Der Soundtrack zur WM
Bafana bafana – ein Streifzug durch Südafrikas Musiklandschaft
Bafana bafana – so wird das Fußball-Nationalteam der Regenbogen-Nation Südafrika genannt. Auch die lauthals gebrüllten Anfeuerungsrufe gehen so. Es heißt übersetzt nichts anderes, als »die Jungs«. Aber ist da nicht Musik drin, in diesem Ruf: »Bafana bafana«? Und ob. Mindestens genauso viel, wie Südafrika auch sonst an spannender Musik zu bieten hat. Die aber zu ergründen, ist gar nicht so einfach; denn die Szene in Südafrika ist völlig anderes strukturiert als beispielsweise hier in deutschen Landen. Elf offizielle Landessprachen bringen aktuell nahezu genauso viele unterschiedlichen Szenen hervor, die kaum miteinander verwoben sind. Hinzu kommt noch eine wilde musikalische Tradition, die sich über Jahrzehnte der brutalen Unterdrückung der Apartheidpolitik nicht beugen wollte.
Miriam Makeba kennt man unbedingt. Johnny Clegg vielleicht. Auch Freshly Ground oder The Parlotones sind nicht mehr ganz unbekannt. Doch »kwaito«-Künstler wie Zola sind meist nur Spezialisten bekannt. Ganz zu schweigen von den stark asiatisch geprägten Szenen in der Gegend um Durban und die der Kapmalaien um Kapstadt. Genug Stoff also für alle, die ins Land am Kap der Guten Hoffnung reisen und ordentlich was auf die Ohren brauchen.
Die Anreise ist lang genug. Aber nicht minder spannend ist die Musik für alle daheim gebliebenen Sofakartoffeln, die in den Halbzeitpausen der Spiele mit ein wenig Rhythmus ein Tänzchen aufführen wollen. Also MP-3-Spieler parat gemacht und rauf mit den südafrikanischen Klängen.
Eine Band hinterlässt momentan ausgeprägt riesige Klangstapfen: The Parlotones. Gitarren- und Keyboard-befeuerter Pop, das ist ihr Ding. Das Wort Melodie schreiben sie ganz groß. Nicht umsonst stehen Künstler wie The Beatles, The Police, Travis oder auch Coldplay ganz oben auf dem Einflusszettel von The Parlotones. Und auf den Spieler kommt das Stück »Come Back As Heroes«, die offizielle WM-Hymne der ARD. Und natürlich eine massive Aufforderung an das deutsche Team.
Bunt und multikulturell zusammengewürfelt tragen die sieben Mitglieder der Combo Freshly Ground aus Kapstadt unterschiedlichste südafrikanische Musiktraditionen zusammen. Ihre Musik veredeln sie dann mit ordentlichem Popappeal. Die Stimme der Frontfrau Zolani Mahola lässt unmittelbar das Gefühl einer lauen Sommernacht aufkommen. Gemeinsam mit Shakira schicken sie die nächste Hymne mit Charakter ins Rennen und in die Soundtrack-Sammlung: »Waka Waka (This Time for Africa)«.
In gänzlich anderem Fahrwasser bewegen sich Blk Jks, ein smartes Quartett, teils aus Soweto, teils aus Johannesburgs East Rand. Blk Jks nehmen innerhalb der südafrikanischen modernen Szene eine Sonderstellung ein. Ihr Stilmittel ist der Rock; der in Zeiten der Apartheid von Schwarzen geschmähte weiße Rock. Den haben sie sich genommen, bis auf die Knochen seziert und neues Fleisch daran gepackt. Sie kreuzen die traditionelle Süße der Zulu-Klänge mit der brachialen Macht der Rockgitarre sowie mit lange in der Sonne getrocknetem Dub-Reggae. Derb und turbulent ist das Ergebnis. Mit »Molalatladi« findet auch genau ein solch revolutionäres Stück den Weg auf den MP-3-Spieler.
Seit etwa Mitte der 90er-Jahre zelebriert die schwarze Post-Apartheid-Generation »kwaito«. Produktionsstätten dieses Klangs sind häufig Ministudios hinter den Blechhütten der früheren Townships. Dabei werden House-Beats oft brutal verlangsamt und verschleppt und mit – für diese Szene ungewöhnlichen – Instrumenten wie Akkordeon versetzt. Die Sprache, die darüber schwebt, ist so vielfältig wie die Sprachen Südafrikas. »Kwaito« widerspiegelt die Ideen, Motive und Einstellungen einer ganzen Generation und wurde so zum Ausdruck ihres Lebensgefühls sowie ihres neuen und starken Selbstbewusstseins.
Ein typischer Vertreter dieses Genres ist Bonginkosi Dlamini, der sich nach einem Bezirk in Soweto Zola nennt. Die Filmmusik zum Soweto-Drama »Tsotsi« stammt auch aus seiner Feder, genauso wie das Stück »Mdlwembe«, das ab jetzt den Soundtrack ergänzt.
Eines darf auf dem MP-3-Spieler keinesfalls fehlen: der Schall einer röhrenden Tröte. Denn die eigentliche Hymne der Weltmeisterschaft wird durch das vereinte Gebläse der Vuvuzelas erklingen. Das bis zu von 120 Dezibel laute Blasinstrument bringt es auf eine Länge von über einem halben Meter und wurde in seiner Plastikversion zum Symbol des südafrikanischen Fußballs. Auch in Deutschland dürfte es nicht zum Ladenhüter werden.
Eine der langlebigsten und auch international bekanntesten Gruppen aus Südafrika ist Ladysmith Black Mambazo. Ihre charakteristische Gospelmusik, die sie bereits seit den 60er Jahren zu Gehör bringen, ist eine Vermischung von Stilen aus europäischer christlicher Chormusik und einheimischen Harmonien. Diese Musik wird auch als »mbube« bezeichnet und schleicht sich mit dem Stück »Unomathemba« auf den Spieler.
Brenda Fassie, die leider die Drogen nicht in den Griff bekam und 2004 verstarb, geht als die Madonna der Townships in die südafrikanische Musikgeschichte ein. Ihre wirbelnde und unter die Haut gehende Musik eine weitere Anwärterin auf den MP-3-Player und zwar mit dem Stück »Party Time Kuya Ngokuthi Ungubani«.
Als etwa zeitgleich die Holzflöte afrikanischer Hirten in der städtischen Umgebung zur Blechflöte mutierte und traditionelle Rhythmen mit Jazz verbunden wurden, war »Phata-Phata« der angesagte Tanz. Das gleichnamige, 1967 erschienene Lied von Miriam Makeba erinnert daran und darf im Soundtrack zur Weltmeisterschaft nicht fehlen. Makebas Erfolg fiel in eine Zeit, in der die Handhabung und die Durchsetzung der Apartheidpolitik immer brutaler ausfielen. Viele Kulturschaffende verließen Südafrika. Schwarze Musik wurde zu Untergrundmusik und kaum auf Platten veröffentlicht. Viele Platten, die dennoch erschienen, wurden sofort verboten. So auch das Debütalbum von Lucky Dube mit dem Titel »Rastas Never Die«. Er befasste sich mit jamaikanischem Reggae, auch wenn er diesen stark mit »mbaqanga«-Elementen aus der Tradition der Zulu anreicherte und zum »African Reggae« weiterentwickelte. Der MP-3-Spieler wird mit Lucky Dubes Stück »Ding Dong« gefüttert.
Auch weiße Künstler gerieten mit der Apartheidpolitik in Konflikt. Als sich beispielsweise Johnny Clegg mit Sipho Mchunu zusammentat und mit ihm als Johnny & Sipho auftrat, war das nur im privaten Rahmen oder in Kirchen und kleinen Clubs möglich. Das Duo rekrutierte weitere farbige und weiße Musiker und wurde so zur ersten gemischten Popgruppe Südafrikas, die sich Juluka nannte. Ihr »Asimbonanga (Mandela)« hat es noch heute verdient, gehört zu werden.
War während der Apartheid Afrikaans weitgehend die Sprache des Bösen, so gab es doch auch Afrikaans sprechende Künstler, die mit der Linie der weißen Herrscherclique nichts zu tun haben wollten. Sie nannten sich »Alternative Afrikaner«. Einer der Väter dieser nonkonformistischen musikalischen Afrikaans-Kultur ist Koos Kombuis. Seine anrührende Hymne »Lisa se Klavier« vervollständigt den Soundtrack zur Fußball-Weltmeisterschaft aufs Feinste.
Im günstigsten Fall erhöht die Fußball-Weltmeisterschaft für Südafrika die Möglichkeiten, das historisch-politische Marschgepäck ein wenig abzustreifen. Aber unbestritten bleibt auch der Fakt, dass zwei Jahrzehnte nach der historischen Wende aus den Köpfen der Menschen die Apartheid noch nicht weggedacht wurde. Es wird Aufgabe der Post-Apartheid-Generation bleiben, den von Nelson Mandela entwickelten Gedanken der Regenbogen-Nation zu Ende zu denken und umzusetzen. Dabei können Fußball und Musik durchaus Katalysatoren sein. Und vielleicht surft die südafrikanische Mannschaft auf »Bafana, bafana«- Schlachtrufen und Vuvuzela-Schallwellen weiter nach vorn als gedacht.
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