Im Salzsee schlummert die Zukunft
Die Auto- und Elektronikindustrie schielt gierig auf Boliviens Lithiumreserven
Bolivien hortet die größten Lithiumreserven der Welt. Das seltene Alkalimetall, das für die Herstellung von Batterien für Elektroautos, Mobiltelefone und Laptops verwendet wird, ist immer gefragter. Dem ärmsten Land Südamerikas könnte es zum Wohlstand verhelfen.
Wie eine Mondlandschaft mutet der Salar de Uyuni auf der Hochebene im Südwesten Boliviens an. Eine meterdicke Salzkruste bedeckt den Boden und lässt kaum Leben zu. Bloß einige Kakteen wachsen am Salzsee, der mit einer Fläche von über 10 000 Quadratkilometern der größte der Welt ist. Auch das Leben der wenigen Menschen ist von Salz bestimmt. Salzbauern hacken in mühsamer Arbeit das Salz aus der Kruste und türmen es zu Kegeln auf, um es an der Sonne zu trocknen. Ihr Einkommen ist mickrig – wie das der meisten Bolivianer.
Dass sich inmitten dieser Kargheit Boliviens größter Reichtum befindet, ist kaum zu glauben. Und doch: Unter der Salzkruste, gebunden in Salzlake, lagert das vermutlich größte Lithiumvorkommen der Welt. 5,4 Millionen Tonnen sollen es sein, was fast der Hälfte der weltweiten Reserven entspricht. In Fachkreisen wird der Andenstaat bereits »Saudi-Arabien des Lithiums« genannt.
Noch vor einigen Jahren interessierte das Leichtmetall im Salzsee kaum jemanden. Es wurde früher in kleinen Mengen in der Medizin, der Keramik- und Rüstungsindustrie gebraucht. Dann kamen die von ausdauernden Lithium-Ionen-Batterien betriebenen Laptops und Mobiltelefone auf den Markt und kurbelten die Nachfrage an. Welchen Wert das Metall erst erhalten wird, wenn die Autoindustrie Hybrid- und Elektromobile in großer Zahl auf den Markt bringt, ist kaum auszudenken, verlangen diese doch Batterien mit noch viel mehr Leistung. Experten gehen davon aus, dass der Verbrauch bis 2020 von derzeit 24 000 auf etwa 54 000 Tonnen pro Jahr steigen wird.
Auch wenn Lithiumproduzenten in Chile, Argentinien, China oder Australien ihre Fördermengen noch erhöhen können, wächst das Interesse an Boliviens Vorräten täglich. Konzerne aus aller Welt stehen bereits Schlange, um den Schatz zu heben. Unter den Interessenten befinden sich die französische Bolloré-Gruppe, Südkoreas LG und die japanischen Konzerne Mitsubishi und Sumitomo. In Fachkreisen ist sogar von einem Gerangel um das Lithium die Rede.
Trotz des steigenden Drucks zögert Bolivien damit, ausländische Unternehmer ins Boot zu holen. Einer der Gründe liegt in der Vergangenheit des Landes, das einschlägige Erfahrungen mit seinen Bodenschätzen gemacht hat. Bereits im 16. Jahrhundert bauten die spanischen Kolonialherren in der Gegend um Potosí Unmengen von Silber ab. Später folgten Zinn, dann Erdgas. Immer profitierten vornehmlich Fremde und eine kleine Minderheit im Land von den reichen Bodenschätzen. Heute ist Bolivien das ärmste Land Südamerikas, die Gegend um Potosí wurde zum Symbol der Ausbeutung.
Mit dem Lithium hat Bolivien etwas anderes vor. Es soll nicht einfach exportiert, sondern im Land weiterverarbeitet werden und den Aufbau eines neuen Industriezweigs ermöglichen. Dass sich die ehrgeizigen Pläne nicht ohne größere Investitionen aus dem Ausland verwirklichen lassen, liegt auf der Hand. Hinzu kommt, dass dem Land technisches Know-how fehlt, um eine eigene Lithium-Industrie aufzubauen. Dennoch soll der Abbau in staatlicher Hand bleiben. Man wolle »Partner, keine Herren«, betont Boliviens Präsident Evo Morales, der an die Vergabe von Förderlizenzen harte Bedingungen knüpft: Fördergesellschaften müssen dem Staat eine Mehrheitsbeteiligung einräumen und darüber hinaus in die Infrastruktur des Landes investieren.
Die ersten Schritte zum Abbau hat Bolivien ohne fremde Hilfe unternommen. Am Rande des Salar de Uyuni nahm die staatliche Bergbaugesellschaft Comibol vergangenes Jahr eine Pilotanlage in Betrieb, in der verschiedene Produktionsprozesse erprobt und jährlich bis zu 30 000 Tonnen Lithiumkarbonat hergestellt werden. Aus dem Verkauf des Lithiumkarbonats und anderer Produkte wie Kalium und Borsäure erhofft sich Bolivien in den kommenden Jahren Einnahmen von mehreren hundert Millionen Dollar.
Ob die Rechnung aufgeht, ist allerdings fraglich. Kritiker zweifeln an der Konkurrenzfähigkeit des bolivianischen Programms, da die Herstellungskosten zu hoch und der Transport zu teuer seien.
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