An der Ruhr-Riviera

Die Kanäle in Oberhausen und Umgebung entwickeln sich zu beliebten Ausflugszielen

  • Tom Mustroph, Oberhausen
  • Lesedauer: 3 Min.
Deindustrialisierung schafft Freizeitspaß. Der nach der Wende in den früheren Braunkohlerevieren Ostdeutschlands eingeleitete Transformationsprozess in Freizeitareale prägt auch das Ruhrgebiet. Noch zaghaften Schrittes macht die Bevölkerung den Wechsel vom Diktat der Arbeit hin zur Aufforderung nach Zerstreuung mit. Je jünger die Menschen sind, desto unkomplizierter nehmen sie die neuen Möglichkeiten wahr. Das beweisen die diversen Bootsfahrten, die im Rahmen des Mammut-Kulturprogramms von Ruhr 2010 auf den Wasseradern des Ruhrgebiets angeboten werden.

Buben baden im Rhein-Herne-Kanal. Ein paar von ihnen klettern auf eine der vielen Brücken, die den Wasserlauf überspannen und lassen sich zum Gaudi der Beobachter in das noch immer recht dunkle Nass fallen. Cliquen von Jugendlichen grillen fröhlich am Ufer. In Sichtweite zum Gasometer Oberhausen wiegen sich ein paar Boote sanft in den Wellen des neu angelegten Yachthafens.

»Das ist die neue Riviera«, meint der Künstler Erik Göngrich, der diesen Bootsausflug mit der MS »Duisburg« unter dem Titel »KanalGlühen – Non Stop City« auf dem Rhein-Herne-Kanal organisiert hat.

Wein für die Welt

Göngrich entwickelt ein launiges Zukunftsszenario, das über die jetzt schon sichtbare Naherholung hinaus geht. Er fabuliert davon, dass das Gebiet wegen der Bedeutung der renaturierten Emscher in 20 Jahren Emscher-Gebiet heißen werde. Sogar Wein mit dem zugkräftigen Namen »Recklinghauser Riesling« werde ab 2030 hier gekeltert und fände seinen Weg in die globalen Gourmet-Tempel, prognostiziert er.

Im Jahr 2010 entfaltet sich jedoch ein gemischtes Panorama. Zwar wird der künstliche Wasserlauf immer mehr zu einem beliebten Ausflugsziel. Doch noch immer wird die 1914 fertiggestellte Verkehrsader von Frachtschiffen befahren. Statt Kohle und Stahl haben sie jetzt Schrott und Müll geladen. Ausgerechnet vor der Müllverbrennungsanlage Oberhausen jagt ein Schrotttransporter einen strahlend weißen Schwan vor sich her.

Noch tobt ein Verdrängungswettbewerb. Nur wenige Kilometer hinter dem Yachthafen Oberhausen breitet sich ein Umschlagplatz für Erdöl für den Chemiestandort Essen aus. Einige hundert Meter weiter wird sogar Kohle umgeladen. Doch hierbei handelt es sich um Importkohle, die von Schiffen von weither in Deutschlands einstiges Kohlerevier gebracht wird. Das versichern jedenfalls die im Ruhrgebiet ansässigen Teilnehmer der Kulturbootsfahrt von »KanalGlühen«. Die gut vierstündige Fahrt über 35 des 45 Kilometer langen Kanals ist eine Reise mitten hinein in den Umwandlungsprozess des Ruhrgebiets. Sie offeriert ein paar Spuren der industriellen Vergangenheit wie die Stahlbleche, die den Kanal begrenzen. Der weiße Dampf, der von der einzig verbliebenen Kokerei ausgestoßen wird, weist auf die letzten Monumente aktueller Industrie hin.

Und sogar Lachse?

Es handelt sich aber nur um das in Dampf verwandelte Wasser, das den Koks abkühlt, meinen die Mitreisenden. Sie legen Wert auf die neue Umweltqualität ihrer Region. »Im Kanal sind jetzt sogar Lachse. Die brauchen sauberes Wasser«, sagt eine Frau, die als Gastgeberin für die auswärtigen Besucher von Ruhr2010 agierte.

Eine Vielzahl neuer, elegant geschwungener Brücken überspannt den Kanal und verstärkt den Eindruck einer Flaniermeile. Auch künstlerisch wird der Kanal bespielt. Ein Amphitheater für Konzerte ist am Ufer installiert. Großflächige Tafeln, die im Rahmen des Wettbewerbs »Bilder am Kanal« aufgebaut wurden, fordern zu »Mut« und »Geduld« auf. Diese Tugenden sind notwendig. Denn trotz aller Bemühungen erreicht das künstlerisch entfachte Glühen bei Weitem nicht die Hitze eines Hochofens. Ruhr2010 ist das Nachspiel einer Epoche.

Infos unter www.ruhr2010.de

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