Was tun mit Gauck?
Rot-grüner Bundespräsidenten-Kandidat benötigt die Stimmen der LINKEN
Seit Tagen ringt die LINKE um eine gemeinsame Linie für die Bundespräsidentenwahlen am 30. Juni. Die eigene Kandidatin Luc Jochimsen gilt als chancenlos. Und so stellt sich die Frage: Was tun, wenn der schwarz-gelbe Kandidat Christian Wulf im ersten und zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit verfehlt? Dieses Szenario gilt zwar als nahezu ausgeschlossen, weil der Niedersachse über eine satte Mehrheit in der Bundesversammlung verfügt. Trotzdem fragen sich viele LINKE, ob der rot-grüne Kandidat Joachim Gauck überhaupt wählbar ist. Schon die Nominierung des Ex-Pfarrers durch SPD und Grüne hinter dem Rücken der Linkspartei war ein Affront. Viele in der Parteiführung hatten einen gemeinsamen Oppositionskandidaten bevorzugt, etwa den Theologen Friedrich Schorlemmer. »Gauck ist nicht versöhnlich«, fasste Luc Jochimsen die Kritik am Ex-Pfarrer im »Hamburger Abendblatt« zusammen. Auch Gauck selbst betonte am Mittwoch, er sei kein »Promoter für Rot-Rot-Grün«. Immer wieder pöbelte der Rostocker in den vergangenen Tagen gegen die LINKE.
Und die keilte zurück. So betonte Ex-Parteichef Oskar Lafontaine gegenüber »Stern.de«, Pastor Gauck gehöre zu jenen, »die von der Staatssicherheit auch Privilegien erhalten haben«. Der Saarländer unterstrich zudem noch einmal, dass der ehemalige Stasi-Beauftragte für die LINKE nicht wählbar sei. Dabei hatte Lafontaine noch am 6. Juni in einer ARD-Talkshow Gauck als »einen wirklich großartigen Menschen« gelobt, der »sehr respektabel« sei. Und so vermuten einige Beobachter, dass die Attacke gegen Gauck eigentlich in eine ganz andere Richtung ziele.
Der Thüringer Linksfraktionschef Bodo Ramelow hatte zuvor gesagt, er behalte sich vor, was er im dritten Wahlgang mache. Auch einige andere prominente Ost-LINKE hatten sich ähnlich geäußert. In der Bundestagsfraktion gibt man sich hingegen gelassen: »Nach jedem Wahlgang werden sich die Wahlleute beratschlagen, wie es weitergehen soll«, so ein Sprecher gegenüber ND. Im ersten Wahlgang wird man geschlossen für die eigene Kandidatin stimmen, so viel ist klar. Sollte Wulff auch im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit verfehlen, wird die LINKE eine Unterbrechung der Bundesversammlung beantragen. Scheitert Wulff, dann wäre auch die schwarz-gelbe Koalition am Ende. Die Stimmen der LINKEN wären das Zünglein an der Waage. Viele in der Partei halten solche Szenarien für unrealistisch. So sagte Bundesgeschäftsführerin Caren Lay: »Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass die Koalition hier ihr eigenes Grab schaufelt«.
Bevor es soweit ist, wird Gauck am 29. Juni die Linksfraktion besuchen. Und wer weiß, vielleicht disqualifiziert sich der als selbstgerecht und aufbrausend bekannte Ex-Pastor dann endgültig.
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