Die zwei Seiten des »Point Alpha«

17. Juni: Altkanzler Helmut Schmidt erhielt Auszeichnung, die LINKE mahnte zur Abrüstung

  • Hans-Gerd Öfinger, Fulda
  • Lesedauer: 2 Min.
Gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr und für weltweite Abrüstung demonstrierten am gestrigen 17. Juni Friedensaktivisten und Mitglieder der LINKEN aus Hessen und Thüringen.

Rund 150 Teilnehmer versammelten sich zu einem »Friedensfest« am »Point Alpha«. Der liegt an der früheren Grenze zwischen DDR und BRD unweit der osthessischen Stadt Fulda. »Point Alpha« war militärischer Aufklärungsvorposten. Hier belauerten sich NATO und Warschauer Vertrag besonders intensiv. Die Aktion bildete einen Gegenpol zu der gleichzeitig wenige hundert Meter entfernt stattfindenden Verleihung des »Point Alpha Preises 2010« an Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) durch das »Kuratorium Deutsche Einheit«.

»Nicht die Kalten Krieger von gestern und heute haben Ehrungen verdient, sondern die Hunderttausende der Friedensbewegung«, gab Heidemarie Scheuch-Paschkewitz, Landesvorsitzende der hessischen LINKEN zu bedenken. Sie erinnerte an die Rolle Schmidts bei der Aufrüstung in den 1970er und 1980er Jahren. Schmidt, der von 1974 bis 1982 Kanzler war, hatte 1978 das Wort von der »Raketenlücke« geprägt und damit die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen und eine neue Aufrüstungsspirale im Zuge des »NATO-Doppelbeschlusses« gerechtfertigt.

Als »Veteranen« der bundesdeutschen Friedensbewegung waren auch die Linksfraktionsvorsitzenden Bodo Ramelow (Thüringen) und Willi van Ooyen (Hessen) zum »Point Alpha« gekommen. Van Ooyen gab zu bedenken, dass nicht Schmidt, sondern die damalige Friedensbewegung durch ihre Proteste zur Entspannungspolitik wie auch zur Überwindung der Grenze beigetragen hätte. Die Friedensbewegung hatte die atomaren Erstschlagsplanungen Anfang der 80er Jahre veröffentlicht und Demonstrationen mit hunderttausenden Teilnehmern organisiert. Der hessische Fraktionschef unterstrich die Forderung nach Aufgabe des nahen Truppenübungsplatzes Wildflecken, wo sich die Bundeswehr auch auf Afghanistan vorbereite.

Im Rahmen des Friedensfestes stiegen auf einer Wiese Friedenstauben auf und wurden in Anlehnung an ein Symbol der früheren DDR-Friedensbewegung Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet. Hier trafen sich ehemalige DDR-Grenzsoldaten wie Harald Hentschel, der gegenüber von »Point Alpha« im Einsatz war, Friedensaktivistinnen wie Karin Masche, die bei einer Friedensdemonstration in Fulda im Herbst 1984 mitgewirkt hatte, und Karin Schrappe, die an eine große Erfurter Demonstration gegen den NATO-Doppelbeschluss 1982 erinnerte.

»Wir demonstrieren nicht gegen den Ablauf der Weltgeschichte und ›Point Alpha‹, sondern für Frieden und Abrüstung«, erklärte Bodo Ramelow. Dass Deutschland bei der Rüstung »Exportland Nummer drei« sei, weise in die verkehrte Richtung. »20 Jahre nach dem Kalten Krieg haben wir heute heiße Kriege, überall US-Atomwaffen und kein vernünftiges Gegengewicht mehr«, bilanzierte der Suhler Holger Auerswald und erinnerte an die große Bedeutung von Thüringer Bundeswehrstandorten in Bad Salzungen, Gotha und Ohrdruf für den Afghanistankrieg.

Während der Altkanzler in seiner Rede am »Point Alpha« Deutsche und Franzosen ermahnte, gemeinsam weiter für die europäische Einheit einzustehen, nutzten Schulklassen aus der Umgebung den Ausflug am 17. Juni zum Fußballspiel und Picknick auf dem früheren Grenzstreifen.

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