Der Zustand der Welt

  • Jürgen Reents
  • Lesedauer: 3 Min.
Jürgen Reents, ND-Chefredakteur
Jürgen Reents, ND-Chefredakteur

Es sind manchmal die kleinen Meldungen, die einen tiefen Einblick in den Zustand unserer Welt geben: Der international führende Insulinhersteller Novo Nordisk teilte Ende Mai mit, mehrere Medikamente in Griechenland vom Markt zu nehmen, da die Regierung dort im Zuge der Finanzkrise eine 25-prozentige Preissenkung für Arzneimittel angeordnet hat. Novo Nordisk wolle kein Verlustgeschäft machen, heißt es. Betroffen sind zehntausende Diabetes-Patienten, die bislang auf die Präparate des dänischen Herstellers angewiesen sind. Ein weiteres Pharmaunternehmen, Leo Pharma, stellte kurz darauf ebenfalls den Vertrieb von zwei seiner Medikamente in Griechenland ein, darunter ein Präparat zur Verhinderung von Blutgerinnung.

Was veranlasst Unternehmen, so zu handeln? Beide erwähnten Firmen sind nicht börsennotiert, ihre Eigentümerstruktur basiert auf Stiftungen, die zum Teil als gemeinnützig gelten und die alle Gewinne in den Unternehmen belassen und für Forschung und Entwicklung einsetzen. Zugrunde liegen kann also nicht die Habsucht privater Anleger, denen die Gesundheit der betroffenen Patienten fern und gleichgültig ist, Hauptsache der in Profit gemessene eigene Vorteil stimmt. Sie, die privaten Profiteure, gibt es in diesem Fall nicht, die Angelegenheit ist um einen Deut komplizierter: Es sind die globalen kapitalistischen Strukturen, die jede wirtschaftliche Tätigkeit in das Korsett einer »Verwertung« zwingen. Der haben sich alle zu unterwerfen, die »am Markt« tätig sind, unabhängig von ethischen Maßstäben, die im betreffenden Unternehmen gelten mögen oder nicht.

An die Moral zu appellieren, ist richtig und hilfreich. Es schärft die Aufmerksamkeit, zu welchem Ausmaß die alltäglichen Übel »unserer« Welt gelangt sind. Doch das Gerüst dieser Welt ist ein materielles, kein moralisches. Sich umsichtiger auf ihm zu bewegen, mag hier und da vor Unfall schützen, an seiner schiefen, unfallträchtigen Konstruktion ändert es nichts.

Diese besteht darin, dass die Dominanz privatkapitalischer Aneignung alles in seinen Sog zieht. Wird diese Dominanz nicht gebrochen, wird der Sog nicht verändert. Die Versorgung mit wenn nicht kostenfreien, so doch erschwinglichen Medikamenten muss allen Menschen zugänglich sein. Hier – neben anderem: Bildung, Energieversorgung, Banken – muss die Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse jeglicher rivalisierenden kapitalistischen Vermarktung entzogen werden – als einer der ersten Schritte, die zu einer global gerechteren Wirtschaftsordnung führen.

Die gegenwärtige Finanzkrise, die der Tanzboden auch der eingangs beschriebenen Unanständigkeit ist, hat eine offene Debatte

über die Destruktivität ausgelöst, die der kapitalistischen Wirtschaft innewohnt. Man hört ungewohnte Worte von ungewohnter Stelle. Doch die Überlegungen, was zu verändern sei, vor allem die Bereitschaft zur Veränderung, bleiben lau. Ernsthaft in die Strukturen eingreifen will niemand der derzeit Regierenden. Was die Linken vorschlagen, sei nicht machbar, utopisch, träumerisch. Die so reden, übersehen: Jeder Traum, der die Wirklichkeit nicht negiert, sondern berührt, findet seinen Weg.

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