Baumfällgenehmigung nur unter Auflagen ?

Hausbau

  • Lesedauer: 3 Min.

Auf einem zunächst meinem Vater, dann mir und jetzt meinem Sohn gehörenden Grundstück möchte dieser ein Einfamilienhaus errichten. Die Erlangung der Baufreiheit macht es erforderlich, einige Bäume zu fällen. Sie waren teilweise ursprünglich schon auf dem Grundstück vorhanden, teilweise hatte ich sie vor Jahrzehnten als Setzlinge auf dem Grundstück meines Vaters gepflanzt. Im Interesse der Errichtung des genehmigten Gebäudes wird meinem Sohn zwar eine Fällgenehmigung erteilt, ihm werden jedoch Auflagen zu einer Ersatzbepflanzung oder zu einer Ausgleichszahlung gemacht. Ist das korrekt? Müsste hier nicht unterschieden werden zwischen dem ursprünglichen Bewuchs einerseits und vom Eigentümer neu gepflanzter Bäume andererseits? Stellen die Brandenburgische Baumschutzverordnung und die auf ihrer Grundlage erlassenen kommunalen Regelungen – und so auch die entsprechenden Regelungen der anderen Bundesländer – nicht einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums dar?
Günter W., Hohen Neuendorf

1. Unrichtig ist Ihr Ansatz, grundsätzlich eigentumsrechtlich zwischen bereits auf dem Grundstück vorhandenen Bäumen einerseits und erst von Ihnen ge-pflanzten Bäumen andererseits unterscheiden zu wollen und zu können. Sowohl nach BGB als auch nach ZGB waren Anpflanzungen grundsätzlich wesentlicher Bestandteil des Grundstücks und teilten dessen rechtliches Schicksal – unabhängig davon, wann und durch wen sie gepflanzt wurden. Sie gehörten daher dem jeweiligen Grundstückseigentümer und wurden bei einem gesetzlichen oder vertraglichen Wechsel des Eigentumsrechts auf den neuen Eigentümer übertragen. (In diesem Zusammenhang muss nicht auf die Besonderheiten eingegangen werden, die in der DDR und der Übergangsregelung der BRD im Falle dinglicher Nutzungsrechte oder vertraglicher Bodennutzungsverhältnisse nach §§ 312 ff. ZGB galten – sie wirkten sich auf die hier zu behandelnde Anfrage nicht aus.)

2. Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass rechtliche Regelungen nicht nur unter einem Aspekt erfolgen, sondern unter vielfachen, ineinander greifenden Aspekten. Bäume als körperliche Gegenstände sind Sachen, die der zivilrechtlichen Regelung des Eigentumsrechts und der sich aus ihm ableitenden Befugnisse (Besitz, Nutzung, Verfügung) unterliegen. Bäume sind aber durch ihre Daseinsweise in vielen, auch anderweitig rechtlich geregelten gesellschaftlichen Verhältnissen von Bedeutung, z. B. in Wäldern, Gärten, Straßen, im Luftraum usw. Allein die eigentumsrechtliche Regelung und ihr Schutz sind nicht ausreichend, sondern es bedarf auch weiterer Regelungen – schon damit die Bäume sprichwörtlich »nicht in den Himmel wachsen«. Auch die grundsätzlichen eigentumsrechtlichen Bestimmungen gehen von diesem Zusammenwirken der Regelungen aus, z. B. Art. 14 GG: »Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt«; § 903 BGB – Befugnisse des Eigentümers – »… soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen …«

Hinsichtlich der Bäume sind daher in Brandenburg u. a. weiterhin zu beachten das Naturschutzgesetz, das Landeswaldgesetz, die BaumschutzVO sowie die auf dieser Grundlage getroffenen kommunalrechtlichen Regelungen (entsprechend dann auch in den anderen Bundesländern.) Erreichen Bäume eine Qualität, dass sie den umweltrechtlichen Bestimmungen unterliegen, so ergeben sich daraus Konsequenzen, die auch Baumeigentümer gegen sich gelten lassen müssen.

Soweit zur grundsätzlichen rechtlichen Situation. Nur in Kenntnis der konkreten territorialen Bedingungen ließe sich unter Nutzung der verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelfe überprüfen, ob die geltenden Rechtsvorschriften – bezogen auf den Einzelfall – richtig angewandt wurden, insbesondere Ermessensspielräume sachgerecht genutzt wurden.

Prof. Dr. JOACHIM GÖHRING

Rechtsanwalt, Berlin

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