Projekte und Partnerschaften
Vor 20 Jahren wurde die Organisation für Entwicklungszusammenarbeit SODI gegründet / Aus dem Solidaritätskomitee der DDR wurde Solidaritätsdienst-international e. V.
In der Fritz-Reuter-Schule gleich um die Ecke soll am Sonnabend gefeiert werden, mit Freunden, Gründern und Gästen. Man wird auf 20 spannende, aber auch erfolgreiche Jahre zurückblicken, erklären, woran man gegenwärtig arbeitet und wie es weitergehen soll im nächsten Jahr. Das bleibt das Wichtigste, denn die Arbeit wird nie vorbei sein, solange es Unterentwicklung gibt in Afrika, Asien, Lateinamerika. Genaus solange braucht es hier Menschen, denen es gut geht und die auch bereit sind zu spenden, und dafür braucht es ebenso Organisationen, die dies realisieren, mit Enthusiasmus und Sachkunde gleichermaßen. Kleiner lässt sich der Anspruch nicht formulieren, wenn das Engagement ernsthaft und von Dauer sein soll.
SODI – der Solidaritätsdienst-international – kann dies für sich in Anspruch nehmen. Seine Entwicklungsprojekte orientieren sich sehr eng an den Bedürfnissen der Menschen. Man darf das bisweilen wörtlich nehmen, zum Beispiel beim Projekt »Trockentoiletten für Namibia«. Da werden mit Hilfe einer Partnerorganisation im Land in der Stadt Otjiwarongo neben Lehmhäusern auch Trockentoiletten errichtet. Das ist überhaupt nicht selbstverständlich. »Normal« auf dem Lande ist immer noch das Erdloch im Gebüsch ohne Dach über dem Kopf und mit nicht nur gesundheitlichen Gefährdungen für den Benutzer. »75 Euro an Spenden kostet eine Trockentoilette für Namibia«, sagt Projektmanagerin Susanne Laudahn. Mit dem Kennwort »Namibia« versehen, kann man genau dafür etwas spenden.
Die junge Frau ist eine von derzeit elf hauptamtlich bei SODI Tätigen, darunter ein Auszubildender. Vier sind Teilzeitbeschäftigte. Daran gemessen hat SODI überhaupt nichts gemein mit der Organisation, deren offizieller Rechtsnachfolger man ist – dem Solidaritätskomitee der DDR.
Für seine Leistungen braucht das Komitee sich nicht zu schämen – man nehme als Beleg allein die vielen Menschen in den heutigen Partnerländern von SODI, die sich nach wie vor mit Dankbarkeit und Freude der Hilfsleistungen wie der persönlichen Kontakte zur DDR und der vielen Helfer von dort erinnern. Aber das Komitee war eben ein Großschiff, personell wie politisch, und wurde folgerichtig nach dem Ende der DDR ebenso versenkt wie diese. Die vorhandenen Spendengelder sollten der Bundeskasse zufließen. So jedenfalls planten es die Treuhand und die nicht weniger berüchtigte Unabhängige Kommission zur Untersuchung des Vermögens von Parteien und Massenorganisationen der DDR. Auf ihr Betreiben hin wurde das Spendengeld von 48 Millionen DM im August 1991 unter Treuhandverwaltung gestellt.
Personell wie auch strukturell war das »Solikomitee« zu diesem Zeitpunkt längst Geschichte. Bereits im März 1990 hatte ein Arbeitsausschuss, bestehend aus Aktivisten, die Geschäfte übernommen, dessen Personenkreis vom Offizier bis zum Pfarrer kaum heterogener zusammengesetzt sein konnte. Sie leisteten die Vorarbeit für die Gründung von SODI, die im Sommer 1990 erfolgte, und führten vor allem die Projekte weiter.
Um so härter traf SODI der Zwangseinzug der Gelder durch die Treuhand, gestützt auf den Vorwurf, es habe sich nicht um Spenden der Bürger, sondern um Zwangsabgaben gehandelt, die deshalb in den Treuhandtopf gehörten. Damit wären sie auf Nimmerwiedersehen verschwunden gewesen. Es kam aber anders. Von Pfarrer Bernd Krause, 1990 bis 2002 SODI-Vorstandsmitglied, ist der Zornesausbruch vor der Unabhängigen Kommission überliefert: »Was hier geschieht, ist Siegerwillkür und Machtzynismus. Wie können Sie etwas entscheiden, ohne nach dem Spenderwillen zu fragen, ohne die vielen Menschen zu respektieren, die mit ihren Gaben zu einer solidarischen Welt und zu mehr Gerechtigkeit beitragen wollten?«
Am Ende des Streits – der Entwicklungspolitische Runde Tisch konnte wesentlich zur Schlichtung beitragen – gab es einen Vergleich. Der größte Anteil der Gelder wurde in die neugegründete Stiftung Nord-Süd-Brücken überführt. 12,5 Millionen DM blieben bei SODI, um Projekte weiterzuführen. An die Gremien dieser Stiftung können SODI wie auch andere ostdeutsche entwicklungspolitische Organisationen seitdem Anträge stellen. Mit diesem Modus können offenbar alle Seiten leben.
Probleme bei der Bewilligung hat SODI, wie Dörte Lüneberg, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, erklärt, generell nicht. Die Organisation verfügt seit 1994 über das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für Soziale Fragen, wird jedes Jahr geprüft und muss davor offensichtlich auch niemals Bange haben. Der SODI-Sitz in Hohenschönhausen, im äußersten Nordosten Berlins, ist eben keine Repräsentanz, sondern tatsächlich eine Geschäftsstelle, und vor dem Haus stehen keine Maseratis, sondern Fahrräder. Für Verwaltungs- und Werbeausgaben wurden nie mehr als zehn, bei der letzten Prüfung 2009 4,6 Prozent der Spenden verbraucht. Das ist ein Spitzenwert in der Branche.
Laufende Projekte
NAMIBIA
Um die hygienische Situation in Namibia zu verbessern, baut SODI in Otjiwarongo mit einem Partner 600 Trockentoiletten. Gesamtprojektkosten: ca. 532 000 Euro.
MOSAMBIK
Mit dem Bezirksamt Berlin-Lichtenberg werden Einrichtungen im 5. Stadtbezirk der Hauptstadt Maputo unterstützt, z. B. mit Computern, Schulutensilien und medizinischen Geräten. Geld- und Sachspenden bisher 748 000 Euro.
SÜDAFRIKA
Mit Partnern wird in der Provinz KwaZulu-Natal AIDS-Aufklärung an Schulen betrieben. Gleichzeitig wurden für Aufklärungsarbeit 58 Lehrer ausgebildet. Projektkosten ca. 50 000 Euro.
LAOS
2009 begann ein Kampfmittel-Räumprogramm in Bolikhamxay, einer der ärmsten Provinzen des Landes. Projektkosten 2009 ca. 665 000 Euro.
VIETNAM
In Nghe An wurden 2009 300 Frauen in den Bereichen Gastronomie, Informationstechnologie und Kosmetik qualifiziert. Ein Kleinkreditprogramm ermöglichte 120 Frauen die Gründung eines Unternehmens. Kosten ca. 251 000 Euro.
KAMBODSCHA
Im Rahmen eines Dorfentwicklungsprogramms sind zwischen November 2009 und August 2010 für den Bau von Brunnen und Hygienekurse Ausgaben von 11 000 Euro vorgesehen.
Daten und Fakten
3. März 1990: Ein Arbeitsausschuss übernimmt die Befugnisse des Präsidiums des Solidaritätskomitees der DDR.
15. Juli 1990: Nach mehrwöchiger Gründungsphase heißt die Organisation jetzt Solidaritätsdienst-international (SODI).
13. August 1991: Die Treuhandanstalt sperrt die Gelder von SODI.
16. März 1992: In einem gerichtlichen Vergleich wird vereinbart, dass bei SODI 12,5 Millionen DM verbleiben, um begonnene Projekte fortzuführen. 30 Millionen DM werden in eine Stiftung eingebracht, die entwicklungspolitische Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NRO) ausschließlich in den neuen Bundesländern und Berlin fördert. Seit 1994 heißt die Stiftung Nord-Süd-Brücken.
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SODI ist die größte NRO in Ostdeutschland, dennoch viel kleiner im Spendenaufkommen als westdeutsche Hilfswerke wie Brot für die Welt oder Misereor. Seit 1995 gehört SODI zum Paritätischen Wohlfahrtsverband und zu VENRO, einem Zusammenschluss von 120 deutschen NRO.
Gemeinsam mit anderen Organisationen gründete SODI 1994 den Initiativkreis für das Verbot von Landminen, heute Aktionsbündnis Landmine.de. Die Vereinigung beteiligte sich an der Ausarbeitung von »Richtlinien für Minen-Aktionsprogramme« und begann mit Spezialisten einer Partnerorganisation mit der Minenräumung in zwei Dörfern Vietnams. 2009 begann ein weiteres Programm zur Kampfmittelräumung in Laos.
SODI beschränkt seine Tätigkeit nicht auf bestimmte Bereiche. Deshalb betreibt man neben der Minenräumung auch Projekte auf den Gebieten Landwirtschaft, Bildung, Gesundheit, Wohnungs- und Toilettenbau. Gemäß seinen ostdeutschen Wurzeln ist SODI vorwiegend in Ländern aktiv, die umfangreiche Beziehungen zur DDR hatten wie Kambodscha, Kuba, Mocambique, Namibia, Südafrika und Vietnam. R.E.
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