Ein ungelöschter Schwelbrand
Vor 60 Jahren begann der Koreakrieg, der bis heute nicht beendet ist
Kaum ein Tag vergeht, ohne dass die verfeindeten Brüder in Nord und Süd einander nicht Rache schwören für tatsächliche oder vermeintliche Aggressionen und Provokationen. Sollte der Untergang der »Cheonan« – auch in diesem Fall schieben beide Parteien die Schuld der jeweils anderen Seite zu und sehen sich selbst in der Opferrolle – in Strafaktionen des UN-Sicherheitsrats münden, wie von Südkorea betrieben, ist unbedingt mit einer weiteren Zuspitzung der Lage zu rechnen.
Noch aber mahnt das wichtigste UNO-Gremium zur Besonnenheit und scheut eine einseitige Verurteilung. Anders als vor 60 Jahren lässt sich die UNO eben nicht mehr willenlos von den USA steuern. Die beiden koreanischen Staaten – der eine nannte sich Republik, der andere Demokratische Volksrepublik und beide erhoben den Anspruch, ganz Korea zu repräsentieren – waren nach dem Zweiten Weltkrieg im Gefolge der Besetzung durch Sowjetunion und USA entstanden. Tägliche militärische Provokationen sprachen für die Bereitschaft beider, den jeweils anderen Landesteil zu »befreien« – und die Zustimmung der vormaligen Besatzungsmächte. In der Hysterie des Kalten Krieges genügte ein Funke, das Pulverfass explodieren zu lassen, und der sprang am 25. Juni 1950 über: Die Armee Kim Il Sungs überrannte, das Überraschungsmoment nutzend, den von den USA beherrschten Süden. Dessen Hauptstadt Seoul war binnen drei Tagen erobert. Der Sicherheitsrat der noch jungen Vereinten Nationen – die Sowjetunion nahm in fataler Verkennung der Folgen nicht an der Abstimmung teil – folgte der Forderung Washingtons nach einer militärischen Strafexpedition gegen Nordkorea. Eine Streitmacht von Militärs aus 21 Staaten unter US-amerikanischem Kommando griff ein und warf Kim Il Sungs Truppen bis nahe der Grenze zu China zurück, worauf über eine halbe Million chinesischer Soldaten mit sowjetischen Waffen den Nordkoreanern zur Hilfe kamen. Eine Niederlage fürchtend, forderte der kommandierende US-General Douglas MacArthur von Präsident Harry S. Truman ernsthaft den Einsatz von Atomwaffen. Der General musste gehen und drei Jahre nach Kriegsausbruch endete das Gemetzel dort, wo es begonnen hatte, am 38. Breitengrad, mit einem Waffenstillstand.
Der Krieg hatte verheerende Folgen für die Halbinsel. Beide Landesteile waren verwüstet, zwischen 3 und 4 Millionen Menschen waren ums Leben gekommen, Millionen Familien zerrissen worden und gegenseitiger Hass vertiefte die Spaltung. Die Waffenstillstandslinie war nahezu unüberwindlich, es gab weder Brief- noch Telefonverbindungen, weder Wirtschaftsbeziehungen noch kulturellen oder sportlichen Austausch. Und trotz wiederholter Annäherungsschritte, denen immer wieder Rückschläge folgten, haben beide Seiten bis heute nicht zu normalen Beziehungen auf der Grundlage gegenseitiger Akzeptanz und friedlicher Koexistenz gefunden. Immer noch glauben Nord und Süd an den bevorstehenden Zusammenbruch des jeweils anderen Systems. Doch während sich der Norden weitgehend selbst isolierte, gewann der Süden an Wirtschaftskraft und internationaler Anziehungskraft, was die innerkoreanischen Beziehungen nicht leichter macht.
Von möglichen Sanktionen wird sich die Führung in Pjöngjang indes ungeachtet aller Nöte nicht beeindrucken lassen. Alle Versuche, das Reich des geliebten Führers Kim Jong Il, des Sohnes von Kim Il Sung, mit Druck in die Knie zu zwingen, sind bisher gescheitert. Die Halbinsel lebt weiter im Zustand eines brüchigen Waffenstillstands, aus dem jederzeit ein neuer bewaffneter Konflikt schlagen kann. Eine Lösung ließe sich nur durch einen Friedensvertrag erreichen, über den jedoch noch nicht einmal verhandelt wird. Während Washington sich weigert, mit Nordkorea in Gespräche darüber einzutreten, lebt die nordkoreanische Führung weiter in der irrigen Überzeugung, mit einem atomaren Potenzial in der Hinterhand könne sie den USA diktieren, wie ein Friedensschluss auf der koreanischen Halbinsel zu erfolgen hat. Solange sich beide Seiten nicht aufeinander zu bewegen, schwebt Korea ständig zwischen Nichtfrieden und Fastkrieg.
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