Die kleine Erbse auf der Bank
Vor dem Achtelfinale gegen Argentinien fordert ganz Mexiko von Trainer Aguirre einen Stürmertausch
Für die einen ist Javier Aguirre ein gewiefter Stratege, für die anderen ein uneinsichtiger Dickkopf. In Mexiko scheiden sich die Geister an dem Nationaltrainer, der die »Tri« bei der WM in das Achtelfinale geführt hat, in dem sie am Sonntag (20.30 Uhr) auf Argentinien trifft. Die Entscheidungen des 51-Jährigen lösten in der Heimat nicht nur eine heftige Debatte aus. Sie wurden zum Politikum.
Der Abgeordnete Eric Rubio wollte den Coach gar vor das Parlament zitieren: »Die Initiative mag folkloristisch erscheinen, aber in einer Frage, die alle Mexikaner interessiert, muss Aguirre Rede und Antwort stehen«, meinte der Politiker. Der Parlamentarier ist – wie Millionen Fans – empört darüber, dass Aguirre bei der WM den 22-jährigen Jungstar Javier Hernández – die »Perle des mexikanischen Fußballs« – konsequent auf der Ersatzbank schmoren lässt oder allenfalls als Joker einsetzt.
Dagegen darf der »Aguirre-Spezi« Guillermo Franco in der Anfangsformation stürmen, obwohl der 33-Jährige bei der WM noch keinen Treffer erzielt, dafür aber zahllose Chancen vergeben hat. Die Entscheidung des Trainers löste in Internetforen eine Welle von Protesten aus. »Franco nimmt Mexikos größtem Fußballtalent den Platz in der Nationalelf weg«, heißt es da. Oder: »Im Spiel gegen Argentinien droht Mexiko die größte Gefahr nicht von Lionel Messi, sondern von Franco.« Pikanterweise ist Franco ein gebürtiger Argentinier, der in Mexiko eingebürgert wurde.
Hernández ist Mexikos größte Fußballhoffnung. Der jüngste Spross einer Fußballer-Dynastie wird in der kommenden Saison für Manchester United auf Torejagd gehen. Schon sein Großvater und sein Vater hatten für die Nationalelf gespielt. Da sein Vater »Chícharo« (Erbse) genannt wurde, gaben die Mexikaner dem Sohn nun folgerichtig den Spitznamen »Chícharito« (Erbschen).
Im Streit um das Reservisten-Dasein des Jungstars zog Politiker Rubio seine Initiative mittlerweile zwar zurück, nachdem seine Partei PRI ihn als »Fanatiker« abgekanzelt hatte. Aber damit ist die Debatte keineswegs beendet. Der bekannte Sportkommentator José Ramón Fernández forderte nach Mexikos 0:1-Niederlage im letzten Gruppenspiel gegen Uruguay: »Aguirre sollte zusammen mit Raymond Domenech nach Korsika verbannt werden. Er ist nach dem Franzosen der zweitschlechteste Trainer bei der WM.«
Dabei war »El Vasco« (der Baske), wie der Sohn baskischer Einwanderer genannt wird, vor Kurzem noch beinahe wie ein Held gefeiert worden. Der Trainer hatte mit Mexiko die fast schon gescheiterte Qualifikation zur WM noch geschafft und ein Team aufgebaut, dem viele Experten zutrauten, die große Überraschungsmannschaft bei der WM zu werden. Nach dem 0:1 gegen Uruguay räumte Aguirre jedoch ein: »Wir leisten uns über 90 Minuten zu viele Schwächephasen. Wir spielen nicht kontinuierlich mit derselben Intensität. Wenn wir gegen Argentinien gewinnen wollen, müssen wir uns erheblich steigern.«
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