Wulffsland – Bundeswehrland

  • Otto Köhler
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Mitherausgeber der Zweiwochenschrift »Ossietzki« ist Träger des Kurt-Tucholsky-Preises.
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Nun also statt der Pest die Cholera. Sie ist sympathisch, glaubwürdig, volksnah, wie das Umfrageinstitut Infratest dimap anhand vom 899 Befragten sofort und zuverlässig ermittelte. Die Commerzbank trug dazu bei, indem sie acht Tage vor der erwarteten Wahl Christian Wulffs den diesjährigen »Celler Trialog« absagte – der neue Bundespräsident ist seit drei Jahren der oberster Schirmherr und Förderer jener sorgfältig abgeschotteten Veranstaltung in seinem Bundesland.

Der »Celler Trialog« dient einem immer »engeren Schulterschluß zwischen Wirtschaft, Politik und Bundeswehr« und wird seit 2007 alljährlich von der in Niedersachsen stationierten 1. Panzerdivision (»Division Eingreifkräfte«) zusammen mit der Commerzbank unter Ausschaltung der Öffentlichkeit im Schloß von Celle veranstaltet. Der Trialog will nicht nur »Verständnis für die Auslandseinsätze« des deutschen Militärs wecken. Auch im Innern sollen zwecks »Intensivierung der zivil-militärischen Zusammenarbeit« Banken und Industrie mit einem Netz von Reservisten durchsetzt werden, die insbesondere bei Unruhen das Kommando übernehmen. Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, verkündete Wulff beim Celler Trialog 2008: »Dies Land ist ein Bundeswehrland.« Diese Einstellung gegenüber den – damals noch in Niedersachsen – verbliebenen Zivilisten, dürfte er auch beim Einzug in das Schloß Bellevue mit Sicherheit auf die ganze Bundesrepublik anwenden.

Wenige Wochen nach dem ersten Celler Trialog fand erstmals wieder das Schlesiertreffen in Hannover statt. Wulff hatte es ebenfalls als Schirmherr nach Niedersachsen geholt und nach einer teilweisen Streichung des Blindengelds finanziell gut ausgestattet. Allerdings stellte er die Bedingung, dass es in Hannover nicht – wie bei Schlesiertreffen üblich – zu rechtsextremen und revanchistischen Aktivitäten kommen dürfe. Die gab es. Die Eröffnungsrede hielt Rudi Pawelka von der nach polnischem Land gierenden »Preußischen Treuhand«. Trotzdem sprach Wulff am nächsten Tag vor den – zumeist in der Bundesrepublik geborenen – »Schlesiern«, inmitten von Buchständen mit neonazistischen Schriften. Beim Schlesiertreffen 2009 gab es wieder Geld von Wulff. Die Auflage – nichts Rechsextremistisches und nichts Revanchistisches – wurde wiederholt und wieder gebrochen.

Erfreulich aber ist, daß der neue Bundespräsident nichts gegen Juden hat. Drei Tage vor dem 70. Jahrestag der Jagd auf die Juden vom 9. November 1938 sprach er in einer Talkshow von einer »Pogromstimmung« gegen die deutschen Manager. Wulff wollte damit nur zum Ausdruck bringen, daß der deutsche Manager im Zeichen der Krise ebensolchen Verfolgungen ausgesetzt ist, wie es die Juden unter dem deutschen Faschismus waren.

Nachdem er sich aber der Mutmaßung nicht mehr verschließen konnte, daß er möglicherweise etwas Falsches gesagt habe, erklärte er, nein, ließ durch einen Sprecher erläutern, er bedauere die »Verwendung des Wortes ›Pogrom-stimmung‹« – es habe sich um eine »Fehlleistung« gehandelt. Von »Fehlleistung« spricht Freud (allerdings Jude), wenn das Unterbewusstsein seinen Einfluß auf das Sprechen nimmt. Daß dies bei den kommenden Wulff-Reden nicht mehr geschehen möge, dafür muß im Bundespräsidialamt eine neue Planstelle geschaffen werden.

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