Berlin will keine Geheimverträge mehr
SPD, Grüne und LINKE verabschiedeten Informationsfreiheitsgesetz / Bürgerinitiative geht Verordnung nicht weit genug
»Neue Ära der Informationsfreiheit.« »Maßstäbe bei Offenlegung von Privatisierungsverträgen.« »Impulse für mehr Demokratie und Transparenz.« In selten gesehener Einigkeit haben Politiker von SPD, LINKEN und Grünen in Berlin die Verabschiedung des neuen Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) kommentiert, das das Abgeordnetenhaus am Donnerstagabend mit rot-rot-grüner Mehrheit beschlossen hatte.
Nach der neuen Gesetzgebung müssen in Zukunft beim Verkauf von Landeseigentum die Verträge für die Bürger einsehbar sein, dazu zählen auch Passagen, die normalerweise als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gelten. Wobei Voraussetzung ist, dass »das Informationsinteresse das schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse des privaten Vertragspartners überwiegt«.
Das sei bundesweit einmalig, betonte der rechtspolitische Sprecher und LINKE-Landeschef, Klaus Lederer. Auch der Sprecher für Datenschutz bei der SPD-Fraktion, Sven Kohlmeier, hob hervor, dass Private nur noch Verschwiegenheitsklauseln abschließen können, wenn sie einen »wesentlichen wirtschaftlichen Schaden« nachweisen. Großes Lob erhielt das IFG auch von der Antikorruptionsorganisation Transparency International.
Der rot-rote Berliner Senat und die Grünen reagierten mit dem Gesetz zur Akteneinsicht vor allem auf die bis heute umstrittene Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) aus dem Jahr 1999. Damals kaufte ein privates Konsortium aus RWE und der französischen Veolia Water 49,9 Prozent der BWB für rund 1,7 Milliarden Euro. Im Gegenzug erhielten die Privaten vom damaligen CDU-SPD-Senat eine langfristige Garantie auf die Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals des Unternehmens. Seitdem sprudeln die Gewinne – und die Wasserpreise stiegen seit 2004 in der Hauptstadt um 35 Prozent.
Im neuen IFG ist ein Passus vorgesehen, wonach die Teilprivatisierungsverträge der BWB von Senat und Privaten nachverhandelt werden sollen. Der Bürgerinitiative »Berliner Wassertisch«, deren öffentlichem Druck das neue IFG maßgeblich zu verdanken ist, geht das nicht weit genug. »Mit dem Informationsfreiheitsgesetz, wie es verabschiedet wurde, soll von der Notwendigkeit unseres Volksbegehrens abgelenkt werden«, meint Thomas Rudek, der Sprecher der Bürgerinitiative. Dabei wäre es wichtiger, dass die alten Verträge vollständig offengelegt würden, damit man sie juristisch anfechten kann. Der Wassertisch will deshalb weitermachen. Bis Ende Oktober sollen für das Volksbegehren »Schluss mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück« die nötigen 170 000 Unterschriften gesammelt werden, um einen berlinweiten Volksentscheid durchzusetzen.
Der Senat will die neue gesetzliche Grundlage »selbstverständlich nutzen«, kündigte Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) gegenüber ND an. »Nach dem neuen Gesetz werden die Privaten aufgefordert, ihr Geheimhaltungsinteresse substantiiert zu erläutern.« Danach wird auch die Frage nach Neuverhandlungen neu zu klären sein, so der Senator.
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