Kampf für deutlich höheren Mindestlohn

Seit zwei Wochen demonstrieren in Bangladesh Textilarbeiter

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Mindestlohn in Bangladesh ist ausschlaggebend für den Textilsektor. Doch dieser reicht längst nicht mehr für ein würdiges Leben. Seit Wochen protestieren Arbeiter für eine Erhöhung des Mindestlohns.

»Solange die Löhne nicht erhöht werden, werden die Proteste weitergehen«, bekräftigt Mosharafa Mishu. Der Gewerkschaftsführer spricht für die streikbereiten Textilarbeiter, die seit zwei Wochen in Bangladeshs Hauptstadt Dhaka auf die Straße gehen.

Anders als früher haben die Arbeiter, in ihrer Mehrheit Frauen, sogar die Unterstützung einiger Abnehmer der Kleidungsstücke, die in den Fabriken des südasiatischen Landes hergestellt werden. Unternehmen wie Levi Strauss oder die französische Supermarktkette Carrefour haben sich bereits zum Jahresbeginn für die Erhöhung des Mindestlohns ausgesprochen. Der liegt seit 2006 bei 1662,50 Taka im Monat – derzeit umgerechnet rund 19 Euro. Davon können die Familien der bis zu vier Millionen Textilarbeiter aber nicht einmal mehr ihre Grundbedürfnisse befriedigen, denn die Preise für Nahrungsmittel und Strom sind in den letzten Jahren spürbar gestiegen. Diese Tatsache wird selbst von der Regierung nicht bestritten, die angekündigt hat, bis Ende Juli einen neuen Mindestlohn festzulegen.

Die Gewerkschaften sind mit der Forderung von 5000 Taka in die Offensive gegangen. Zwar erscheint die Verdreifachung des Mindestlohns wenig realistisch, doch es ist unstrittig, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter im Textilsektor seit Jahrzehnten unterbezahlt sind und förmlich ausgepresst werden. So blieb der Mindestlohn zwischen 1994 und 2006 stabil bei 900 Taka. Erst 2006 wurde er auf das heute noch gültige Niveau von 1662,50 Taka angehoben. Eine direkte Folge dieser von der Regierung verfügten »Lohnzurückhaltung« ist, dass das Gros der Textilarbeiter in heruntergekommenen Behausungen in den Slums der Hauptstadt oder deren Vororten lebt. Dort, im Industriegebiet Ashulia, begannen Mitte Juni auch die Proteste. Die Arbeiter machen mit Straßenblockaden auf ihre Forderungen aufmerksam, wobei es mehrfach zu Aus-einandersetzungen mit der Polizei kam.

Dadurch ist der Druck auf das »Wage Board« – in diesem Verhandlungsgremium stimmen Arbeiter- und Unternehmervertreter mit der Regierung den Mindestlohn ab – erhöht worden. Und da die Regierung in den letzten Tagen die Unternehmen zu mehr Flexibilität ermahnt hat, hoffen Nichtregierungsorganisationen, dass es zu einem Kompromiss kommt, der um die 3500 Taka liegen könnte. Aber auch das wäre ein geringer Lohn in der Branche, die für 80 Prozent der Exporte des Landes verantwortlich zeichnet. Diese ist mit den niedrigen Kosten für Unternehmen groß geworden. »Bangladesh hat im regionalen Vergleich die niedrigsten Löhne und daran würde sich nicht einmal etwas ändern, wenn die Gewerkschaften sich mit ihren Forderungen durchsetzen würden«, erklärt Gisela Burckhardt, Expertin der von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen getragenen Kampagne für saubere Kleidung.


Lexikon

Ein internationales Bündnis von Gewerkschaften, Menschen- und Arbeitsrechtsorganisationen for-dert Handelskonzerne und Marken im Norden auf, auf die Zahlung eines Asiatischen Grundlohns bei ihren Auftragnehmern zu drängen. Dieser ist so bemessen, dass die Familie ernährt und gekleidet, die Ausbildung der Kinder, Gesundheitsversorgung und die Miete für eine einfache Unterkunft bezahlt werden können. Er wird nach der Kaufkraft des jeweiligen Landes berechnet. Dieser Grundlohn soll existenzsichernd sein, aber auch verhindern, dass sich arme Länder durch immer niedrigere Löhne gegenseitig Marktanteile abzujagen versuchen. ND

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