Naoto Kan droht Wahlschlappe
Japans Demokraten bangen um Oberhaus
Der Rücktritt von Premier Yukio Hatoyama im Juni sollte die schwindende Popularität der Demokraten (DPJ) neu beflügeln. Mit dem Pragmatiker Naoto Kan erhielt Japan den fünften Premier in drei Jahren. Doch in nur vier Wochen ist auch Kans Popularität nach einer Umfrage der Tageszeitung »Mainichi« von 66 Prozent auf 43 Prozent eingebrochen. Aber auch bei einer Niederlage bei diesen Oberhauswahlen denke Kan nicht an einen Rücktritt, so Yukio Edano, Generalsekretär der DJP.
Verliert die Partei bei der Wahl das Oberhaus, wird das Regieren auf alle Fälle noch schwieriger, obwohl die Demokraten das regierungsbildende Unterhaus weiter beherrschen werden. Japans große Zeitungen »Nikkei«, »Yomiuri« und »Asahi« prophezeien, dass sich die Regierungspartei am Sonntag höchstens 50 Sitze sichern werde. Ministerpräsident Kan dagegen braucht mindestens 56 Sitze, um die Kontrolle über das Oberhaus zu behalten und damit eine Blockadepolitik der Opposition zu verhindern. Denn die hat seinen Plänen zur Senkung der gigantischen Schuldenlast Japans den Kampf angesagt.
Die Opposition der Liberaldemokraten (LDP) erwartet am Sonntag solide Zugewinne. Bei den Parlamentswahlen im vergangenen August vom damaligen DPJ-Chef Hatoyama regelrecht erniedrigt, konnte die LDP seit dem Machtwechsel von der Führungsschwäche und den politischen Fehlern der Demokraten profitieren. Am Sonntag aber könnte sich die von DPJ- und LDP-Abtrünnigen neu gegründete Deine Partei (YP) als Zünglein an der Waage erweisen. Sie strebt auf Anhieb über zehn Sitze an.
Die Partei, die es vor einem Jahr noch nicht gab, besteht aus erfolgreichen Unternehmern, Ärzten, Anwälten und Ökonomen und präsentiert sich als erfrischende Alternative zu den Karrierepolitikern der DPJ und der LDP. Die YP will keine höheren Steuern und eine kleinere Regierung, womit die Partei der Quereinsteiger sowohl den Demokraten als auch den Liberaldemokraten Stimmen rauben wird. Denn Premier Kan möchte die Mehrwertsteuer erhöhen, während die LDP Synonym für eine aufgeblähte Regierungsbürokratie bleibt.
Dabei sind die Unterschiede zwischen Japans beiden größten Parteien nach einem Jahr der vertauschten Rollen kaum mehr zu erkennen. Hatoyama ging zwar gegen die alte, übermächtige LDP-Bürokratie vor. Doch mit seinem Rücktritt musste er auch die Konsequenzen aus Parteispendenskandalen ziehen, wie sie doch die Liberaldemokraten immer plagten.
Im Wahlkampf warnte Ministerpräsident Kan jetzt vor »zu vielen Sitzen« für die Opposition. Es gehe um die Frage, ob Japan »politische Stabilität oder politische Verwirrung« wünsche, tönte es dagegen aus dem Lager der LDP, die seit ihrer Gründung 1955 bis zum vergangenen Jahr fast ununterbrochen regierte und immer vor dem angeblichen Wagnis des Machtwechsels warnte, auf den nur Chaos folgen könne.
Das Chaos blieb aus, doch gab es auch keine merkliche Besserung, weshalb fast die Hälfte der japanischen Wähler unentschlossen bleibt, wem man am Sonntag die Stimme geben soll. Vor einem Jahr noch stand die Nation gleichsam geeint hinter den damals oppositionellen Demokraten, die ein neues Japan versprachen.
Der mögliche Verlust des Oberhauses bedeutete für die Demokraten und Japan sicher kein politisches Erdbeben. Doch Kans Ziel, auch mit wenig populistischen Maßnahmen bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt anzustreben, damit die am stärksten verschuldete Industrienation der Welt endlich mit der Rückzahlung beginnen kann, dürfte mit einer Wahlschlappe erst einmal in weite Ferne rücken. Japan wäre dazu verdammt, Probleme wie Überschuldung und Deflation, die man schon in den 90er Jahren hätte angehen müssen, weiter vor sich herzuschieben.
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