Italiens Jugend ohne Perspektive
Erwerbslosigkeit junger Menschen erreicht immer neue Höchststände
Praktisch einer von drei Jugendlicher hat keine Arbeit. So sagt es die Statistik. Doch sie verschweigt, um was für Arbeitsverhältnisse es sich bei den »Glücklichen« handelt und wie man seine Zukunft darauf aufbauen soll. Giulia ist 28 Jahre alt; sie hat einen Master in Kunstgeschichte, mehrere Auslandsaufenthalte und Zusatzausbildungen in Museumsgestaltung. Derzeit hat sie drei verschiedene Jobs: Mit Kindergartenkindern übt sie Theaterstücke ein; für ein Wochenblatt schreibt sie Kritiken über Kunstbücher; in einer Kunstakademie kümmert sie sich um die Pressearbeit. Sie arbeitet ungefähr 50 Stunden die Woche und ihr Gesamtverdienst liegt bei 600 Euro monatlich. Eine feste Stelle oder ein höheres Gehalt hat sie nicht in Aussicht. Ihren Kinderwunsch hat sie ad acta gelegt, da auch ihr Freund – ein Informatiker – keinen Festvertrag hat und über 1100 Euro im Monat nicht hinaus kommt.
Der 22-jährige Danilo hat drei Jahre in einer Textilfabrik an der Stickmaschine gearbeitet. Vor einem Jahr schloss das Unternehmen und trotz etwa 25 Bewerbungen, die er seitdem geschrieben hat, ist er arbeitslos. In seiner Verzweiflung hat er sich sogar als Staubsaugervertreter versucht; es aber nach einem Monat aufgegeben, weil er sich jedes Mal zum Klingeln überwinden musste.
Statistisch gesehen hat Giulia Arbeit; Danilo nicht. Aber was ist mit Marina? Sie ist 25 Jahre und hat BWL studiert. Dann absolvierte sie in verschiedenen Firmen ein Praktikum nach dem anderen. Jedes Mal wurde ihr versprochen, dass man auf sie zurück kommen werde, wenn sie sich ordentlich ins Zeug lege und mal eine Stelle frei werde. Nun ist sie demotiviert, weiß nicht, wo sie noch suchen soll und hilft ab und zu ihrem Vater im kleinen Lebensmittelladen. Für die Statistik ist sie weder »Arbeit suchend« noch »arbeitend«: ein sogenannter »Neet« (»Not in employment, education or training«), also jemand, der nicht arbeitet, keine Aus- oder Weiterbildung macht und nicht aktiv nach einer Stelle sucht. Davon gibt es in Italien geschätzte zwei Millionen – doppelt so viele wie im europäischen Durchschnitt. Und gerade unter den Frauen wird der Prozentsatz immer größer: Sie machen eine lange Ausbildung, suchen ein paar Jahre nach Arbeit, um dann zu resignieren und zu hoffen, einen Partner zu finden, der eine Familie ernähren kann.
Diese jungen Menschen – egal zu welcher Kategorie sie gehören – haben keine Gegenwart und erst recht keine Zukunft. Eine einigermaßen ausreichende Pension werden sie nie erreichen, weil niemand für sie in die Rentenkasse einzahlt. Im Augenblick liegen sie zum Teil ihren Eltern auf der Tasche und sind die erste Generation im Land, der es schlechter als der vorhergehenden geht. Und später? Marina: »Ich habe das Gefühl, dass meine Generation auf kollektive Probleme individuelle Antworten sucht. Ich weiß, dass diese Probleme die ganze Gesellschaft betreffen. Und trotzdem fühle ich mich ganz persönlich mies und irgendwie auch schuldig!«
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