Die Schatten der Ghibellinia
Hamburgs Grüne debattieren, ob sie Hardliner Ahlhaus zum neuen Bürgermeister machen sollen
Ist Hamburgs designierter Bürgermeister schon vor seiner Wahl passé? Nachdem bekannt wurde, dass Christoph Ahlhaus während seiner Zeit als Kommunalpolitiker in Heidelberg Kontakte zur schlagenden Verbindung der Turnerschaft Ghibellinia hatte, wird beim Koalitionspartner GAL darüber gestritten, ob der Jurist noch der geeignete Nachfolger für den scheidenden Senatschef Ole von Beust (CDU) ist.
In Hamburg bildeten CDU und Grün-Alternative Liste (GAL) nach den Bürgerschaftswahlen 2008 erstmals eine Koalition. Ole von Beust, der kürzlich nach neunjähriger Dienstzeit seinen Rücktritt vom Amt des Ersten Bürgermeisters angekündigt hatte, galt als vergleichsweise »liberal« und zudem als Architekt des schwarz-grünen Bündnisses. Am 25. August soll nun Ahlhaus mit den Stimmen des grünen Koalitionspartners zum neuen Bürgermeister der Hansestadt gewählt werden.
Doch derzeit ist noch nicht hundertprozentig sicher, ob er die GAL-Stimmen auch bekommen wird. Am 22. August wollen die Hamburger Grünen bei einer Mitgliederversammlung entscheiden, ob sie Ahlhaus als Bürgermeister akzeptieren können. Zuvor, am 18. August, will sich der Bürgermeisterkandidat während eines nicht-öffentlichen Mitgliederabends den Fragen der GALier stellen.
»Mai-Singen« mit Nazis
Mittlerweile habe sich die Aufregung über die Kontakte Ahlhaus' zu der rechtslastigen Turnerschaft gelegt, erklärte Antje Möller, stellvertretende GAL-Fraktionschefin in der Bürgerschaft: »Dass der Innensenator Ahlhaus nicht aktiv in die Turnerschaft eingetreten ist, sondern aus kommunalpolitischen Gründen Kontakt hatte, hat die Situation entspannt.«
Ahlhaus hatte über seinen Pressesprecher Thomas Butter verlauten lassen, dass er »erst nach seinem Studium in seiner Funktion als CDU-Ortsvorsitzender in Heidelberg mit der akademischen Turnerschaft Ghibellinia in Kontakt kam. In diesem Zusammenhang war er dort einige Male zu Gast. Bereits seit mehreren Jahren besteht allerdings zwischen Herrn Ahlhaus und der Turnerschaft keinerlei Kontakt mehr.«
Doch ganz so harmlos wie dargestellt waren die Kontakte des gebürtigen Heidelbergers zu der Turnerschaft nicht. So hatte sich Ahlhaus 2001 als Heidelberger CDU-Ortsvorsitzender in der Frage des »Mai-Singens«, an dem auch regelmäßig Neonazis teilgenommen haben sollen, mit den Verbindungen solidarisiert.
Das öffentliche »Mai-Singen«, bei dem Trinklieder und die deutsche Nationalhymne angestimmt wurden, hatte regelmäßig Proteste der demokratischen Studentenschaft provoziert. Zudem ist die Turnerschaft Ghibellinia Mitglied im sogenannten »Heidelberger Waffenring«, einem Zusammenschluss der schlagenden Verbindungen.
Distanzierung gefordert
Derweil fordern SPD und LINKE von dem Innensenator, er möge sich deutlich von der Turnerschaft distanzieren. SPD-Fraktionschef Michael Neumann forderte den Innensenator auf: »Herr Ahlhaus, sorgen Sie endlich für Klarheit. Distanzieren Sie sich von der Burschenschaft, machen Sie reinen Tisch und belasten Sie das Amt des Ersten Bürgermeisters nicht weiter mit dieser Affäre.«
Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, erklärte: »Ich kann mir nicht vorstellen, wie die GAL die Wahl von Ahlhaus unter diesen ungeklärten Voraussetzungen mit den politischen Grundüberzeugungen, mit denen sie einst angetreten war, rechtfertigen will.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.