1000 somalische Polizisten verschwunden

Bundesregierung hatte Ausbildung in Äthiopien mit einer Million Euro finanziert

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundesregierung hat die Ausbildung von 1000 somalischen Polizisten in Äthiopien finanziert, die zwei Monate nach Ende ihres Trainings nicht mehr auffindbar sind.

Berlin/Nairobi (epd/ND). Diplomatischen Quellen in Kenia zufolge wissen weder die somalische Übergangsregierung noch die Bundesregierung oder die Vereinten Nationen über den Aufenthaltsort der von der Bundesrepublik finanzierten 1000 somalischen Polizeirekruten Bescheid.

Somalia-Kenner halten es für denkbar, dass die Polizisten bereits für eine der zahlreichen Konfliktparteien in Somalia kämpfen. »Es ist durchaus möglich, dass man da Milizionäre ausgebildet hat, die für diejenigen kämpfen, die am meisten zahlen«, warnte Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker. Das Bundesaußenministerium wies den Vorwurf zurück, bei dem Ausbildungsprojekt seien UN-Richtlinien umgangen worden.

Deutschland finanzierte die Ausbildung mit einer Million Euro. Dabei wurde es nach Informationen des epd versäumt, das UN-Entwicklungsprogramm, das die Polizeiausbildung für Somalia koordiniert, in Kenntnis zu setzen. Auch der Sanktionsausschuss, der das Waffenembargo gegen Somalia kontrolliert, wurde nach Angaben eines UN-Diplomaten in New York erst nach Beginn der Ausbildung informiert. Unter das Embargo fallen auch Ausbildungsmaßnahmen. Der Afrika-Experte Helmut Hess kritisierte die Ausbildung somalischer Polizisten im Nachbarland. »Äthiopien ist der Erzfeind Somalias«, sagte der frühere Afrika-Referent von »Brot für die Welt« und Somalia-Kenner in einem epd-Gespräch. Äthiopien bilde somalische Polizisten ganz sicher nicht im Interesse Somalias aus. Das Scheitern der Mission sei daher vorhersehbar gewesen, sagte Hess, der im Auswärtigen Amt in Berlin sein Unverständnis und seine Bedenken gegen das Vorhaben vorgebracht hatte. Hess zufolge hat man im Auswärtigen Amt offenbar »grenzenloses Vertrauen zu Äthiopien« als einem »stabilen Faktor« am unruhigen Horn von Afrika. Dabei habe der Einmarsch äthiopischer Truppen 2006 zu einer Eskalation und Radikalisierung in Somalia beigetragen. 2008 zog Äthiopien offiziell ab.

Als skandalös bezeichnete es der Afrika-Experte, dass die Polizisten-Ausbildung ohne Abstimmung mit den Vereinten Nationen und der EU erfolgte. »Somalia ist sehr komplex«, sagte Hess, der für September eine Somalia-Konsultation in Kenia vorbereitet. Umso problematischer seien Alleingänge in dem Bürgerkriegsland.

Auch Linkspartei und Grüne kritisierten das deutsche Engagement. »Es ist skandalös, dass sich die Bundesregierung durch Ausbildung von Soldaten und Polizisten am schmutzigen Bürgerkrieg in Somalia beteiligt«, sagte die Fraktionssprecherin der LINKEN für internationale Beziehungen, Sevim Dagdelen. Dabei nahm sie auch Bezug auf den deutschen Beitrag zur Ausbildung somalischer Soldaten durch die EU in Uganda.

Die Grünen sprachen von einem unverantwortlichen Alleingang des Auswärtigen Amts, weil keine Absprache mit den Vereinten Nationen erfolgte. Nicht umsonst hätten die UN Richtlinien aufgestellt, die verhindern sollten, dass Kindersoldaten oder Anwärter nach Clan-Zugehörigkeit ausgebildet würden, sagte Katja Keul, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen.

Somalia hat seit 1991 keine funktionierende Regierung mehr. Eine international anerkannte Übergangsregierung unter der Führung von Präsident Scheich Scharif Ahmed kontrolliert nur kleine Teile der Hauptstadt Mogadischu. Ihr gegenüber stehen islamistische Milizen, die weite Teile Somalias beherrschen.

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