Poet der Zirkusmanege
In Franken feiert der große Clown Oleg Popow seinen 80. Geburtstag. Er tritt noch immer auf
Nürnberg. Der Zirkus ist sein Lebenselixier, der Publikumsbeifall hält ihn jung. Daher denkt Oleg Popow trotz seines fortgeschrittenen Alters nicht im entferntesten ans Aufhören: »Solange ich denken kann und solange meine Beine laufen und sich meine Arme bewegen lassen, will ich Clown sein«, erzählt er in seiner Wohnung in der Fränkischen Schweiz.
Die letzte Tournee mit dem Großen Russischen Staatszirkus hat er gerade abgeschlossen, die nächste ist bereits in Planung. Über Popows Energie wundern sich auch seine Zirkus-Kollegen. Schließlich wird der ganz Große unter den Zirkus- Clowns dieser Welt an diesem Samstag 80 Jahre alt – ein Alter, in dem andere schon seit 20 Jahren im Ruhestand sind.
Die Strapazen auf den monatelangen Tourneen steckt Popow noch immer locker weg. »Das bin ich gewohnt. Zirkusleute sind das ganze Leben auf Reise«, sagt er und wischt so Fragen nach seiner Belastbarkeit beiseite. Über die Gesundheit mache er sich keine Gedanken. Er habe Zeit seines Lebens eine eiserne Gesundheit besessen – und dass trotz des unsteten Zirkuslebens mit unregelmäßigem Schlaf und sehr unregelmäßigen Mahlzeiten. Ein Geheimnis für seine Fitness im Alter habe er nicht. Dann fällt ihm doch noch was ein: »Wenn ich Ihnen einen Ratschlag geben darf: Ein Leben mit Humor und eine positive Lebenseinstellung trägt sicher zu einem langen Leben bei.«
Gelernter Setzer
Auch an Popows Markenzeichen hat sich in seinem mehr als 50- jährigen Clownleben nichts geändert. Mit seiner schwarz-weiß karierten Ballonmütze und der schlichten Moral seiner anrührenden Geschichten begeistert er noch heute sein Publikum. Berühmt wurde er vor allem mit dem von ihm geschaffenen neuen Clowntyp, der sich mehr an Charlie Chaplin als am »Dummen August« orientiert. Die subtilen Pointen trugen ihm unter Kennern bald den Ruf des »Zirkus-Poeten« ein. »Sein Humor ist naiv, sanft und verträumt. Bosheit oder Grausamkeit kennt er nicht«, urteilte etwa der Pantomime Marcel Marceau über Popows Auftritte.
Popow kommt bis heute ohne Klamauk aus. Er setzt auf Situationskomik, lässt das Publikum mit ihm und nicht über ihn lachen – etwa wenn er in der Arena Sonnenstrahlen »einfängt«, um sie anschließend im Publikum »auszuschütten«. Schminke setzt Popow nur sehr sparsam ein. Unter seiner karierten Mütze und seinen semmelblonden Haaren, mit denen er an die russische Märchengestalt des »Iwanuschka« erinnert, wird immer der Mensch Popow sichtbar.
Popow selbst kam über Umwege zur Clown-Karriere. Der 1930 bei Moskau geborene Russe hatte zunächst eine Ausbildung als Setzer bei der Zeitung »Prawda« begonnen. Bei einer sportlichen Jungarbeiter-Vorführung wurden Lehrer der staatlichen Zirkusschule auf ihn aufmerksam und empfahlen ihm eine Artisten-Ausbildung. Die ersten Jahre trat er als Schlappseiltänzer und Jongleur auf, bis er für den berühmten sowjetischen Clown Karandasch einspringen musste – sein improvisierter Auftritt wurde zum überraschenden Publikumserfolg.
Orden und Parodien
Der Ruf an den weltberühmten Moskauer Staatszirkus, den er später über viele Jahre lang selbst leitete, folgte umgehend. Ein Gastspiel in der belgischen Hauptstadt Brüssel weckte bald auch das Interesse des Westens an Popow. Zu UdSSR-Zeiten wurde er als hochdekorierter Volkskünstler gefeiert, er leistete sich bei seinen Auftritten jedoch auch Parodien auf ordensbehängte Sowjet-Politiker.
Nach dem Fall der Mauer trat er fast nur noch im Westen auf. Seit der Hochzeit mit seiner Mitarbeiterin Gabrielle Lehmann 1992 lebt Popow in einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Nürnberg.
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