Mit den Renten geht es abwärts
Sozialverband Deutschland kritisiert Debatte um Rentengarantie / Koalitionsparteien streiten weiter
Berlin (ND-Beyer/dpa). In einem Offenen Brief an die Mitglieder des Bundestags hat der Präsident des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Adolf Bauer, die von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) entfachte Debatte um die Rücknahme der Rentengarantie kritisiert. In dem Schreiben weist er auf den permanenten Wertverfall der Renten hin. Kaum eine andere Personengruppe in Deutschland habe in den vergangenen Jahren so starke Kaufkraftverluste bei den Einkommen hinnehmen müssen wie die Rentner. Durch Nullrunden und nur geringfügige Rentenanpassungen sowie Beitragssatzsteigerungen in der Kranken- und Pflegeversicherung hätten die Renten allein zwischen 2004 und 2008 um mehr als zehn Prozent an Kaufkraft verloren. Selbst die relativ hohe Rentenanpassung im Wahljahr 2009 habe diesen Prozess nicht aufhalten können. Bauers Fazit: »Ein Ende der Abwärtsspirale ist nicht in Sicht.« Er begrüßt daher, dass die Bundeskanzlerin die Forderung nach einer Abschaffung der 2009 von der großen Koalition eingeführten Schutzklausel umgehend zurückgewiesen habe.
Hinzu komme, so der SoVD-Präsident, dass bei Neurentnern seit zehn Jahren ein Rückgang bei den durchschnittlichen Rentenzahlbeträgen festzustellen sei. So habe sich etwa der Durchschnittszahlbetrag einer im Jahr 2000 beginnenden Altersrente bei den Männern (West) auf 916 Euro belaufen. 2008 lag er nur noch bei 865 Euro. Die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente sei für die gleiche Personengruppe von 780 Euro im Jahr 2000 auf etwa 641 Euro in 2008 gesunken. Letzteres entspricht gerade einmal dem Grundsicherungsniveau. Trotz erheblicher Beitragsvorleistungen kämen immer mehr Rentner mit ihrer Alterssicherung nicht mehr über die Runden, kritisiert Bauer.
Als zentrale Ursachen für den permanenten Kaufkraftverlust nennt der SoVD-Präsident in seinem Schreiben die Kürzungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel und den ausufernden Niedriglohnsektor. »Wer sich ernsthaft und glaubwürdig für lohnorientierte Rentenanpassungen ausspricht, muss auch für die Abschaffung der Kürzungsfaktoren und für eine ausreichende Lohnentwicklung eintreten«, so Bauer. Letzteres erfordere vor allem wirksame Maßnahmen gegen Lohndumping und prekäre Beschäftigung, »insbesondere weitere Branchenmindestlöhne und einen gesetzlichen Mindestlohn als bundeseinheitliche Lohnuntergrenze«.
Trotz der ablehnenden Haltung der Bundesregierung kochte die Debatte am Wochenende wieder hoch. Der Bundeswirtschaftsminister bekam für seinen Vorstoß Unterstützung von Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Tillich erklärte im »Hamburger Abendblatt«: »Eine Rentengarantie wird es auf Dauer so nicht mehr geben, weil die jungen Menschen nicht auf Dauer derart belastet werden können.« Die Garantie sei eingeführt worden, um bei sinkenden Löhnen sinkende Renten zu vermeiden. Das sei immer eine temporäre Maßnahme gewesen. Stattdessen müsse über eine vollständig durch Steuern finanzierte Grundrente diskutiert werden. CSU-Chef Horst Seehofer forderte dagegen ein Ende der Debatte.
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