Krach schlagen statt Kohldampf schieben
Erwerbsloseninitiativen beteiligen sich am »heißen Herbst« / Großdemo für 10. Oktober angekündigt
In Lateinamerika ist das Kochtopfschlagen ein altes Mittel des politischen Protestes. Jetzt findet es auch in Deutschland Beachtung.
Zwei Kochtöpfe und -löffel sind auf dem Plakat zu sehen. Erwerbslosengruppen mobilisieren damit zur bundesweiten Demonstration am 10. Oktober. Mit dem Motto »Krach schlagen statt Kohldampf schieben« wollen die Initiatoren Einfluss auf die Debatte um die Neufestsetzung der Hartz-IV-Regelsätze nehmen. Sie fordern die Erhöhung auf 500 Euro monatlich und als Sofortmaßnahme einen monatlich Lebensmittelzuschuss von 80 Euro. »Noch in diesem Jahr muss es genug Geld für eine ausreichende und ausgewogene Ernährung geben«, wird im Aufruf die Dringlichkeit der Forderung begründet.
Martin Künkler von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen erklärt gegenüber ND, dass das Urteil des Verfassungsgerichts zur Neuregelung der Hartz-IV-Sätze Anlass für die Demovorbereitung war. »Es ist der Versuch unterschiedlicher Erwerbslosengruppen, wieder gemeinsam auf die Straße zu gehen«, so Künkler. Die Aktion ist eingebunden in die für den Herbst geplanten Proteste gegen das Sparprogramm der Bundesregierung. »Wir haben ein eigenständiges Signal der Erwerbslosen am 10. Oktober vereinbart, werden uns aber auch an den für Ende Oktober und Anfang November geplanten gewerkschaftlichen Aktionen beteiligen«, erläutert Künkler. Dass Oldenburg als Demonstrationsort gewählt wurde, ist kein Zufall. Dort hat die Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO) eine jahrelange Praxis in der Organisierung von Protest. »5 Jahre Hartz IV: Kampf um Menschenwürde« lautet das Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe der überregionale, parteiunabhängige Erwerbslosenzeitschrift »quer«, die ALSO seit 1985 herausgibt.
Neben einer gründlichen Analyse des Urteils zu den Hartz-IV-Sätzen wird dort auch über Schikanen gegen aktive Erwerbslose berichtet. So hat die ARGE in Hohenstein-Ernstthal einen Strafbefehl von 100 Euro gegen einen Mitarbeiter des Vereins Gegenwind e.V. erwirkt, weil der auf der Homepage im Bericht über eine Begleitaktion eine Mitarbeiterin ironisch als »Person an Freundlichkeit« klassifiziert hat.
Berichtet wird in der »quer« auch von einer Kundgebung von Erwerbslosen, dem Bundesverband Deutscher Milchbauern und ver.di am 29. Mai in Oldenburg. »Wir fordern ein Einkommen für alle, das auch für eine gesunde Ernährung ausreicht, von dem wir dann auch Milch zu fairen Preisen kaufen können«, begründet Guido Grüner von der ALSO das gemeinsame Anliegen. Der Kampf um gemeinsame Interessen soll auch bei der Demonstration am 10. Oktober im Mittelpunkt stehen. In den nächsten Tagen beginnt die Mobilisierung. Dann werden zweihunderttausend gedruckte Exemplare einer Massenzeitung vor Jobcentern, Ein-Euro-Job-Arbeitsstellen und in Stadtteilen mit einkommensschwacher Bevölkerung verteilt.
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