Rolltore und Ausweichparks
Dresden ist besser vor Hochwasser geschützt als im Jahr 2002 – wenn auch nicht überall
Die Arbeiter, die an der Weißeritz im Dresdner Stadtteil Plauen eine Ufermauer erneuern und erhöhen, müssen ihren Arbeitsplatz gut aufräumen: Bagger und anderes Gerät müssen täglich aus dem Flussbett gefahren werden. Warum, hat sich vorige Woche gezeigt: Starker Regen lässt das eigentlich schmale Gewässer binnen Minuten schwellen. »Die Weißeritz«, sagt Thomas Jakob vom Umweltamt, »ist unser gefährlichster Fluss«: Er wird fast ohne Vorwarnzeit zum reißenden Strom, der tonnenweise Geröll aus dem Erzgebirge mitbringt.
Zurück ins alte Bett
Bei der Flut 2002, die seither stets mit dem Attribut »Jahrhundert-Hochwasser« versehen wird, flossen diese Wasser- und Schlammmassen in den Hauptbahnhof und um den Zwinger. Grund: Der 1893 verlegte Bach war in sein altes Bett zurückgekehrt, und zwar genau an der Ufermauer, die jetzt ein Stück erhöht wird. Dank solcher Baumaßnahmen soll selbst ein großes Weißeritz-Hochwasser künftig im Flussbett gehalten werden können. Dazu werden Brücken, an denen Schwemmgut hängen bleibt, angehoben, und ein Knick im Flusslauf wird eleganter gestaltet – nun wie eine lang gezogene Straßenkurve, in der das Wasser künftig ungehindert rasen kann.
Diese Schutzmaßnahmen an der Weißeritz sind Teil eines Plans zur Hochwasservorsorge, der am achten Jahrestag der Flut am 12. August im Stadtrat beschlossen werden soll. Das 1175 Seiten umfassende Paket ist »eines der komplexesten Planungswerke« in Dresden und »in dieser Form einzigartig«, lobt FDP-Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert. Hervorgehoben wird, dass die teilweise bereits umgesetzten Schutzmaßnahmen an allen Gewässern aufeinander abgestimmt wurden: von der Elbe über die Weißeritz bis zu vielen kleinen Wasserläufen. Selbst die Kanalisation wurde einbezogen. Für den Fall, dass eine erneute Flut mit starken Niederschlägen einher geht, wird im Oktober am Elbufer ein Pumpwerk übergeben, das Regenwasser in den Fluss pumpen soll.
Die Gründe für die Komplexität des Konzepts erklärt Christian Korndörfer, Chef des Umweltamts. »2002 wurde die Dresdner Innenstadt von drei Seiten unter Wasser gesetzt«, sagt er: Neben Elbe und Weißeritz trat auch der Kaitzbach, der sonst unscheinbar und teils gar in Röhren plätschert, über seine Ufer. Um die Stadt künftig vor Fluten schützen zu können, wurden Schutzmauern an Brühlscher Terrasse, Zwinger und Landtag gebaut. An Straßenkreuzungen sind sie mit Rolltoren versehen. Zugleich jedoch gibt es zahlreiche Maßnahmen, mit denen das Wasser in den kleinen Bachläufen möglichst lange zurückgehalten werden kann. So wurden in einem Park im Westen der Stadt Wiesen ausgebaggert; es entstand ein grünes Rückhaltebecken für 24 000 Kubikmeter Wasser – eine von vielen Maßnahmen allein am Kaitzbach. Die Stadt habe sich, sagt Korndörfer, »bewusst entschieden, viele kleine Anlagen zu bauen statt großer Betonbauwerke«, wie sie zum Beispiel in München errichtet wurden.
Eissporthalle abgerissen
Dabei werden zwei Grundprinzipien verfolgt: An den oberen Nebenläufen der Elbe soll das Wasser großflächig gehalten werden, um eine Flutwelle zu vermeiden; an Unterläufen und der Elbe selbst gilt es, das Wasser ungehindert abfließen zu lassen. Für dieses Ziel wurden auch Bausünden der Vergangenheit beseitigt. Eine in den 70er Jahren direkt in eine Flutrinne gebaute Eissporthalle wurde abgerissen. Teils rigoros durchgesetzt wurden auch kleinere Baumaßnahmen – manchmal zum Unmut von Grundstückseigentümern, die Flächen abtreten mussten. Das Verständnis für Schutzmaßnahmen, räumt Korndörfer ein, nehme immer weiter ab: »Die Zeit hat etliches vergessen lassen.«
Eingeräumt wird in der Stadt freilich auch, dass sich einige Bereiche nicht schützen lassen: Etwa bei Schloss Pillnitz oder bei den Biergärten am Blauen Wunder, würden Schutzmauern zu brutal in das Stadtbild eingreifen. Anderswo gibt es schlicht noch keine praktikable Idee – etwa im Szeneviertel Neustadt, wo der Prießnitzbach in die Elbe mündet. Bei Hochwasser staut diese in den Bach zurück, der aber in dicht bebautem Gebiet verläuft – Mauern wären dort kaum vorstellbar.
Bei neuen Bauvorhaben soll von vornherein an den Flutschutz gedacht werden. Pläne für eine »Hafen-City« direkt an der Elbe, sagt Korndörfer, würden nur Wirklichkeit, wenn die Investoren Häuser bauten, deren untere Etagen als Teil einer Flutschutzwand wirkten.
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