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Profit hatte Vorrang vor Waldschutz

Das Ausmaß der verheerenden Brände ist auch auf politische Versäumnisse zurückzuführen

  • Bernhard Clasen
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Wald- und Torfbrände in Russland hätten kaum diese Dimension angenommen, wären in den letzten Jahren Waldschutzmaßnahmen nicht so beschnitten worden.
Viele Moskauer fühlen sich derzeit an die letzte Smog-Katastrophe wegen Torfbränden im Jahr 2002 erinnert. Damals starben 600 Menschen in der Hauptsatdt mehr, als statistisch zu erwarten gewesen wäre. Dies berichtete die Tageszeitung »Wedomosti« am 4. August. Auch Waldbrände sind nichts Neues in Russland: Von 2000 bis 2007 verbrannten nach Angaben der Umweltstiftung WWF insgesamt 52,5 Millionen Hektar, 6,5 Prozent der gesamten russischen Waldfläche.

Zur Zeit lodern fast 1000 Wald- und Torfbrände. Schuld daran ist nach Angaben von Umweltschützern nicht nur »die größte Hitze in den letzten 130 Jahren«, wie Premierminister Wladimir Putin kürzlich erklärte. »Hier rächen sich die Fehler aus den vergangenen Jahrzehnten«, meint Aurel Heidelberg, Waldreferent beim WWF Deutschland. Illegaler Holzeinschlag, die Übernutzung der Wälder und großflächiger Kahlschlag hätten zu der prekären Lage maßgeblich beigetragen. Die verfehlte Bewirtschaftung der Flächen habe vielerorts zu einer Verbuschung und Versteppung geführt. Diese Wälder brennen jetzt wie Zunder.

Es rächt sich aber auch die Trockenlegung von Sümpfen, die es vor allem im europäischen Teil Russlands im großen Stil gegeben habe. Ziel war es, den eingelagerten Torf abzubauen und ihn als Brennstoff für Privathaushalte zu nutzen oder als Rohmaterial für Gartenerde nach Mitteleuropa zu exportieren. »Geraten die ausgetrockneten Torfflächen in Brand, kann man sie kaum mehr löschen«, weiß Heidelberg. Die Feuer ersticken wohl erst mit Einbruch des Winters. Die Rauchschwaden enthalten Kohlenmonoxid, Feinstaub, Formaldehyd und andere giftige Verbindungen, die zu starken gesundheitlichen Belastungen der Bevölkerung führen können.

Den staatlichen Entscheidungsträgern und der Wirtschaft ist Profit wichtiger als der Schutz des Waldes, sagt der St. Petersburger Umweltschützer und Sprecher von »Öko-Perestroika«, Raschid Alimow, gegenüber ND. Nachdem der Staat mit einem neuen Forstgesetz 2007 den Schutz der Wälder auf die Pächter abgewälzt habe, seien Präventionsmaßnahmen und die Überwachung der Wälder ständig reduziert worden. Die privaten Pächter seien am schnellen Profit, nicht am langfristigen Erhalt der Wälder interessiert. Auch wurden laut einer WWF-Studie schon seit Beginn der 90er Jahre die Mittel für die Brandbekämpfung erheblich zusammengestrichen.

Mit Putins Amtsantritt seien die Kompetenzen einer Reihe staatlicher Umweltschutzeinrichtungen beschnitten und anderen Strukturen untergeordnet worden, klagt Alimow. Der Staat müsse jedoch Umweltbehörden aufwerten, ihnen mehr Kompetenzen einräumen. In einer guten Forstgesetzgebung müsse der Schutz des Waldes Vorrang vor den Profitinteressen der Pächter haben, fordert Alimow. Die Ankündigung von Präsident Dmitri Medwedjew, die Schuldigen der Katastrophe zur Rechenschaft zu ziehen, bewertet der Umweltschützer skeptisch. So wälze der Staat die Verantwortung auf Einzelpersonen ab, an den Bedingungen, die die Katastrophe überhaupt erst möglich gemacht hatten, werde man jedoch nichts ändern, fürchtet Alimow.

Während die Menschen in Russland mit den Bränden und dem Smog kämpfen, protestierten Umweltschützer am Freitag in St. Petersburg mit einer Mahnwache gegen die Einschüchterung und Kriminalisierung von Waldschützern. Für den heutigen Sonnabend ist an der Moskauer U-Bahn-Station »Tschistyje Prudy« eine weitere Mahnwache angesetzt. Aktivisten kämpfen seit Jahren gegen die Rodung eines einzigartigen Waldes nahe der Moskauer Vorstadt Chimki, der einer neuen Autobahn von Moskau nach St. Petersburg weichen soll. Hauptinvestor ist der französische VINCI-Konzern. Die Sprecherin der Waldschützer, Jewgenia Tschirikowa, war am Donnerstag in der Miliz von Chimki festgenommen worden, als sie einer Vorladung zum Verhör gefolgt war. Sie habe Rodungsarbeiten behindert, sich Milizionären in den Weg gestellt, lautete der Vorwurf. Die beiden Antifaschisten Alexej Gaskarow und Maxim Solopow sitzen sogar in Untersuchungshaft. Man wirft ihnen vor, Rädelsführer einer Demonstration vor der Stadtverwaltung von Chimki gewesen zu sein, bei der es zu Sachbeschädigung am Gebäude gekommen ist. Die Umweltschützer vermuten, die Straße um Chimki werde gar nicht aus verkehrstechnischen Gründen gebaut, sondern weil man einen Vorwand brauche, um Häuser, Einkaufszentren, Tankstellen und Häuser entlang der Trasse bauen zu können.
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