Ankaras Liste ist nicht abgearbeitet
Weiter offene Forderungen an Israel
In der Türkei hat man es mit Genugtuung vermerkt: Israel hat drei bei dem Seeüberfall gekaperte Schiffe an die Stiftung für Recht, Freiheiten und humanitäre Hilfe (IHH) zurückgegeben, die nun in der Türkei kriminaltechnisch untersucht werden. Die IHH, deren Hauptsitz sich in einem stark islamisch geprägten Stadtviertel in Istanbul befindet, hatte von türkischer Seite aus den Hilfskonvoi organisiert und mit Spenden finanziert. Zu ihren Schiffen gehörte auch die »Mavi Marmara«, das bei weitem größte der sechs beteiligten Schiffe, auf dem die neun Aktivisten starben und zahlreiche verwundet wurden.
Ankara besetzt das internationale Gremium zur Untersuchung des Marineangriffs erkennbar nach Kompetenz und weniger nach Prominenz. An der Kommission wird für die Türkei der erfahrene Diplomat Özdem Sanberk teilnehmen und die türkische Sicht der Dinge vertreten. Denn der größere Teil der türkischen Forderungen an Israel ist bisher unerfüllt geblieben. Insbesondere geht es der Regierung von Recep Tayyip Erdogan um die Aufhebung der Blockade gegen den Gaza-Streifen, eine Entschuldigung der israelischen Regierung für den Überfall und Entschädigungen für die Angehörigen der Opfer sowie die angerichteten materiellen Schäden.
Dass die Gaza-Blockade von Israel nach den Vorfällen inzwischen gelockert wurde, wird in der Türkei nicht wahrgenommen, denn man besteht auf einer völligen Aufhebung, wenn auch nicht mehr so laut wie in den ersten Tagen nach dem israelischen Angriff auf die Schiffe. Erdogan setzt im Moment auf Abwarten.
Israel wird sicher alles dafür tun, dass auch die Rolle des IHH kritisch untersucht wird. Die türkische IHH besteht darauf, dass die in Deutschland vor kurzem wegen ihrer Unterstützung für die Hamas
verbotene Internationale Humanitäre Hilfsorganisation nur zufällig das gleiche Kürzel IHH hat.
Dies wiederum dürfte von Israel kaum zur Kenntnis genommen werden. Der Vorsitzende der türkischen IHH, Bülent Yildirim, feierte nach seiner Rückkehr den Widerstand der mit Eisenstangen bewaffneten Aktivisten und die Überwältigung israelischer Soldaten. Dies klang mehr nach Rambo als nach Gandhi.
Von seiten der Regierung setzt man zur Zeit mehr auf vorsichtiges Taktieren denn auf lautstarke Propaganda. Jedenfalls hat der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu daarauf bestanden, dass der erste Vorbericht der Untersuchungskommission erst am 15. September veröffentlicht wird, also drei Tage nach einem für die Regierung wichtigen Referendum.
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