Wettrüsten im Nahen Osten
Auch Deutschland liefert Waffen in das Spannungsgebiet / Westen verdient an Angst vor Iran
84 Kampfflugzeuge vom Typ F-15 hat Saudi-Arabien auf der Einkaufsliste und will dafür in den nächsten zehn Jahren insgesamt 30 Milliarden Dollar (rund 22,6 Mrd. Euro) an die USA zahlen. Damit verhandeln Washington und Riad zur Zeit über einen der größten Einzellieferverträge, die jemals im Rüstungsbereich abgeschlossen wurden. Der Deal ist symptomatisch für die Lage in der Region, wo nach Analysen führender Friedensforschungsinstitute wie dem Stockholmer SIPRI oder dem Bonner BICC im globalen Vergleich überdurchschnittlich viele Waffen angehäuft werden. Und das in einem der gefährlichsten Spannungsgebiete der Welt.
So hat Beirut jetzt nach einem blutigen Gefecht zwischen libanesischen und israelischen Truppen – dem schwersten Zwischenfall seit dem Libanonkrieg vor vier Jahren – verkündet, man werde »befreundete Länder dazu drängen, uns mit modernerer Rüstung auszustatten«. Man wolle dem eigenen Militär »alles geben, was es braucht«, wie Präsident Michel Suleiman erklärte. Angaben über die Waffensysteme machte er nicht.
Die Kampfjets für Saudi Arabien sollen laut »Wall Street Journal« nicht mit den modernsten Langstreckenwaffen ausgestattet werden, wie sie die USA-Armee einsetzt. Die von Boeing gebauten Maschinen seien technisch abgespeckt. Trotzdem sehe Israel das Vorhaben sehr kritisch und befürchte, seinen militärischen Vorteil gegenüber dem regionalen Rivalen zu verlieren. Israel selbst gehört zu den besten Rüstungskunden der USA in der Region. Dafür steht auch der Kauf von 102 modernen F-16I-Kampfflugzeugen mit großer Reichweite. Unlängst hat Präsident Barack Obama den Kongress um die Bewilligung von 205 Millionen Dollar (164 Mio. Euro) für den Aufbau eines israelischen Raketenabwehrsystems gebeten. Damit solle sich der Hauptbündnispartner im Nahen Osten vor Angriffen der radikal-islamischen Gruppen Hamas im Gaza-Streifen und Hisbollah in Libanon schützen können.
Auch Deutschland versorgte Israel wie diverse arabische Staaten in der Vergangenheit immer wieder mit Rüstungsgütern, obwohl die Exportrichtlinien der Bundesregierung eigentlich Lieferungen in Spannungsgebiete ausschließen sollten. So hat die israelische Marine drei U-Boote der Dolphin-Klasse im Einsatz, von denen nach Meinung von Rüstungsexperten auch nuklear bestückte Marschflugkörper abgeschossen werden können. Für zwei übernahm die Bundesrepublik sogar allein die Kosten, die des dritten teilte man sich. Zwei weitere Dolphin-Boote werden derzeit in Kiel gebaut und sollen 2012 ausgeliefert werden. Auch hier ist Berlin an den Kosten beteiligt. Nach einem Bericht des US-amerikanischen Fachblatts »Defense News« soll Schwarz-Gelb dagegen die Zusage für Finanzierungshilfen eines sechsten U-Bootes zurückgezogen haben. Tel Aviv wie Berlin dementierten solche Verhandlungen. So wie die Bundesregierung jegliche Auskunft darüber verweigert, dass Israel zwei Kriegsschiffe vom Typ Korvette bei der Hamburger Werft Blohm & Voss bestellen will.
Die USA versuchen derweil in »klärenden Gesprächen«, Israel von der Notwendigkeit solcher Geschäfte wie mit Saudi Arabien zu überzeugen. Man sehe in dem massiven Waffendeal auch einen Weg, Teheran in die Schranken zu weisen, heißt es in Washington. Mit seinen Warnungen vor einem atomwaffenfähigen Iran habe der Westen die Aufrüstung in der Region noch einmal angeheizt. Die Militärexperten von »Forecast International« gehen davon aus, dass in diesem Jahr 60 Prozent der weltweiten Ausgaben für Rüstungsgüter von den Ländern des Golfkooperationsrates (GCC) getätigt werden. Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate dürften sich danach ihre vermeintliche Sicherheit über 63 Milliarden US-Dollar kosten lassen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.