Tierschutzvereine vor dem Aus
Spenden sinken – und Zahl der Notfälle wächst
Frankfurt am Main. Nina putzt sich immer noch akribisch. Dabei ist die grau-getigerte Katze schon 17 Jahre alt und etwas steif. »Sie ist hier, weil sie einen Knochentumor am Knie hat«, erklärt Katharina Pavlicevic. Die Vorsitzende des Tierschutzvereins Schwalbach/Frankfurt-West schüttelt den Kopf: »Die Besitzer konnten oder wollten sie nicht mehr behandeln.« Deshalb wurde Nina im Tierheim abgegeben. Hier lebt sie nun mit anderen Leidensgefährten im Gehege der Hochbetagten: Endstation »Casa Senila«.
Der kleine Tierschutzverein logiert geradezu heimelig zwischen Schrebergärten und Main in Frankfurt-Nied. Aber für die derzeit mehr als 80 Katzen und zahlreichen Nager, die in Wohnwagen, Lauben und Freigehegen hausen, ist bald kein Geld mehr da. »124 675 Euro haben wir im vorigen Jahr ausgegeben«, rechnet Pavlicevic. Davon zahlte die Stadt Frankfurt 3800 Euro, die Gemeinde Schwalbach 5000. Als Folge der Finanzkrise brachen jedoch die Spenden um 80 Prozent ein.
Problem Heizkosten
In Memmingen sieht Tierheimleiter Johann Heinz Wilke die Insolvenz auf sich zukommen: »Wir sind nur noch bis Ende September gedeckt.« Dabei erhält der ortsansässige Tierschutzverein allein von der Stadt eine jährliche Fundtierpauschale von 44 000 Euro. Doch von den 35 Umlandgemeinden zahlen nach Wilkes Auskunft nur 15 ihren Obulus. Auch hier in Bayern sind die Spenden drastisch zurückgegangen. Dafür waren die Heizkosten im vergangenen Winter umso höher. Fast die Hälfte der Tierschutzvereine in Deutschland steht vor der Insolvenz, warnt der Deutsche Tierschutzbund mit rund 700 Mitgliedsvereinen: Es gibt immer weniger Spender, gleichzeitig werden immer mehr Tiere abgegeben, nicht nur zur Urlaubszeit. Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger können sich ihre Gefährten nicht mehr leisten. Tierfreunde wollen sich unter Sparzwängen nicht mehr mit einem neuen Haustier belasten.
Deshalb erheben manche Vereine mittlerweile eine »Abgabegebühr«, um die Kosten für die steigende Verweildauer ihrer unfreiwilligen Gäste stemmen zu können: Der TSV Gießen etwa verlangt 195 Euro für einen Hund und 130 Euro für eine Katze.
Rechtliche Grauzone
Die Tierschützer im holsteinischen Bad Oldesloe drohen mit Boykott, falls die Stadt die Pro-Kopf-Zahlung je Fundtier nicht erhöhe. Auch die Tierheime in Lüneburg und Chemnitz sind chronisch unterfinanziert. »Man hangelt sich halt durch. Je kleiner die Städte, desto schlechter geht es den örtlichen Tierheimen«, sagt Selina Martens, Geschäftsführerin des Vereins in Lüneburg.
Das Chaos im deutschen Tierschutz ist nicht nur überforderten Tierhaltern und dem Missmanagement mancher Vereine anzulasten, sondern einer rechtlichen Grauzone. Gemeinden und Landkreise sind gesetzlich verpflichtet, sich um »Fundtiere« zu kümmern. Diese Aufgabe delegieren sie an die Tierheime und zahlen dafür entweder eine bestimmte Summe pro Fundtier, meist aber eine Jahrespauschale. Wie hoch die kommunale Unterstützung ausfällt, steht im Ermessen der öffentlichen Hand, hängt aber auch vom Verhandlungsgeschick der Tierschützer ab. In einem Offenen Brief an die Kommunen betont deshalb Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbunds: »Tierschutz ist eine staatliche Aufgabe.«
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