Aufräumen im Kirnitzschtal

In der sächsischen Urlaubsregion sehen sich die Kritiker der Nationalparkverwaltung bestätigt

  • Simona Block, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.
Im malerischen Kirnitzschtal in der Sächsischen Schweiz ist im August eigentlich Hochsaison. Nach der Flutkatastrophe jedoch scheint sie vorüber, die Unternehmer im Tal der Kirnitzsch kämpfen ums Überleben.

Kirnitzschtal. Randolf Ulbricht fegt den Schmutz vor seiner Pension »Felsenmühle« in der Sächsischen Schweiz zusammen, im kleinen Biergarten steht noch die Tafel mit den Gerichten. Der 41- Jährige kann nur Getränke ausschenken, da er weder Strom noch Wasser hat. Für Hoteliers und Pensionsbetreiber im malerischen Kirnitzschtal scheint die Saison nach der Flutkatastrophe vom Samstag vorbei. Zwar kommen Wanderer wie Robert und Karl aus Osnabrück trotzdem. Alle Buchungen aber sind storniert.

Der nach Dauerregen reißende Fluss hatte sich mit Wucht den Weg gebahnt. Die Spur der Verwüstung ist mehrere Kilometer lang. Bäume liegen quer im Flussbett, hängen zwischen anderen Bäumen, an den Resten von Brücken stapeln sich Bretter, Grasbüschel, Äste und Wellblech, auf einer Lichtung liegen große Tanks und ein ganzes Pappdach. Die Straße ist mehrfach eingebrochen, in Geländern und Zäunen hängt Unrat. Laternen und Oberleitungsmasten der Kirnitzschtalbahn stehen schief oder mit dem Fundament im Fluss.

Angst vor neuem Regen

Mit Großgeräten suchen Helfer das Chaos im Flussbett zu lindern, Feuerwehrleute zersägen die Straße blockierende Stämme. »Das Wichtigste ist, dass der Fluss beräumt wird, denn es kommt neuer Regen«, sagt Campingplatzbetreiber Christoph Hasse. 60 Prozent der Stellplätze an seiner Ostrauer Mühle sind beschädigt oder kaputt, zwei Wohnwagen hat der Fluss mit sich gerissen, ebenso wie 80 Meter Mauer und ein Brückenteil. Der 33-Jährige will die Verwüstungen auf dem Areal, zu dem auch ein Schau-Sägewerk gehört, so schnell wie möglich beheben. »Wir müssen Geld verdienen«, sagt er. »Im August werden die Rücklagen für den Winter gebildet.« Sein Kollege Ulbricht weiß noch nicht, wie er den Verlust kompensieren soll. »Ich habe meine Rücklagen immer wieder investiert.« Zwar ist seine Pension nicht beschädigt, aber wegen der gesperrten Straße derzeit für Urlauber unerreichbar.

Die Reserven reichen für sechs Wochen, aber es ist unklar, ob Ulbricht seinen fünf Angestellten kündigen muss. Rainer König vom Gasthof am Lichtenhainer Wasserfall ist wenigstens versichert. In der Veranda direkt über der Kirnitzsch sind Scheiben geborsten und die Papierservietten in den Haltern noch feucht, es riecht modrig. »Es ist offen, wie es weitergeht«, sagt der 56-Jährige. »Es wird wohl noch Wochen dauern, bis wir wieder aufmachen können.« Im Sägewerk von Wolfgang Sauer geht indes die Produktion weiter. »Sie muss weitergehen, sonst können wir zumachen.« Die Hobelei ist verloren, die Maschinen wurden gerettet. Die schwer beschädigte Mauer darunter droht einzustürzen. Glück gehabt hat dagegen die Neumann-Mühle, deren Schaufelrad sich schon wieder dreht. »Dank der Feuerwehr hat das Technische Denkmal überlebt«, sagt Manfred Heerlein. Nächste Woche soll der Betrieb wieder aufgenommen werden.

Totholz im Fluss

Die Buschmühle indes gleicht einer Müllhalde. Die Feuerwehr hat aus Brettern eine Behelfsbrücke gebaut, nachdem der Fluss den einzigen Zugang zum Grundstück mitgerissen hat. Zwischen Sägemühle, Scheune, Wohnhaus und der bei Wanderern und Bergsteigern beliebten Einkehr stapelt sich verschlammter Hausrat. Feuerwehrleute schaufeln den Mühlbach frei, damit das Brackwasser abfließen kann, das Mühlrad steht still. »Die Saison können wir abschreiben«, sagt Stefan Gernert (28), der den Familienbetrieb in der 15. Generation führt. Wie es weitergeht, weiß er nicht.

Die Kritik an der Nationalparkverwaltung hat mit den Schäden neue Nahrung bekommen. »Sie lässt der Natur freien Lauf und zerstört damit das Tal«, sagt Gastronom König. »Totholz und umherliegende Bäume im Fluss wurden zur Waffe und richteten die großen Schäden an«, erklärt Christoph Hasse. Tatsächlich zerstörten Baumstämme Mauern, verbogen Leitplanken und rissen der Haidemühle aus dem 16. Jahrhundert ein halbes Haus weg. Mit dem alten Wehr wäre seine Mauer nicht unterspült worden, denkt auch Sägereibesitzer Sauer. »Das aber wurde für den Bau einer Fischtreppe abgetragen.«

Sachsens Regierung erklärte gestern, sie schätze die Schäden des jüngsten Hochwassers auf 100 bis 150 Millionen Euro.

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