Theologie trifft Zoologie
Ein Institut an der Kapuziner-Hochschule Münster beschäftigt sich mit dem Umgang der Menschen mit Tieren
In Menschennähe, sagte der Kulturkritiker und Biologe Rupert Sheldrake einmal, »gibt es nur noch zwei Kategorien von Tieren: Die einen verwöhnen wir mit Haustierfutter, die anderen werden dazu verarbeitet«. Ein Satz mit dieser Kluft zwingt zum Nachdenken. Aber wie und wo? Nun, es gibt keinen Mangel an Debatten zum Verhältnis zwischen Mensch und Tier, zum Tierschutz, zum Erhalt der Arten, doch es gibt einen neuen Ort, an dem Menschen darüber nachsinnen und etwas bewirken können.
Zoodirektor als Kurator
Dieser Ort hat einen kuriosen Namen: Institut für Theologische Zoologie. Es wurde im Dezember 2009 eröffnet, und zwar als bislang einziges Hochschulinstitut, das sich mit diesen beiden großen Themen befasst. Es ist ein »An-Institut« an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Kapuziner in Münster, das mit der dortigen Universität kooperiert. Ein katholisches Institut? Sicher nicht. »Unsere Arbeit ist ökumenisch, interreligiös und interdisziplinär«, so die Leiter Dr. Rainer Hagencord und Dr. Anton Rotzetter . Während der Westfale Hagencord Biologie und Theologie studiert hat, ist Rotzetter ein Schweizer Publizist und Pater aus dem Kapuzinerorden.
Damit nicht nur nachgedacht wird, orientieren die beiden auf sehr praktische Anknüpfungspunkte, etwa Zoos und Nationalparks. Fast vor der Haustür liegt der populäre Münsteraner Allwetterzoo. Dessen Chef H. Jörg Adler, ein bekennender Protestant, ist neben Fachleuten vieler Disziplinen auch im Kuratorium des Instituts aktiv. »Zoodirektor und Christ zu sein, das ist für mich eine sinnvolle Voraussetzung für ein Engagement zur Bewahrung der Schöpfung«, sagt er. Adler betrachtet die theologische Zoologie als »neue Herausforderung, das Eis in den Herzen der Menschen zu schmelzen, bevor das Eis der Gletscher geschmolzen ist«. Am Institut geht es freilich nicht um Zoologie im engeren Sinn, sondern um Tierethik, Tierkultur und Tierverhalten – ein Grund, weshalb die bedeutende Primatenforscherin Jane Goodall das Institut als Schirmherrin unterstützt. Zur praxisorientierten Arbeit gehören auch Exkursionen, Workshops und Exerzitien, in denen Menschen im Kontakt mit Pflanzen und Tieren Wege zu einer »schöpfungsgemäßen Spiritualität« finden, erläutern die Leiter, die dafür Unterrichtsmaterialien und Arbeitshilfen entwickeln.
Blick auf Sündenfälle
Ein wichtiger Anknüpfungspunkt ist die Bibel. Von der Schöpfungsgeschichte, vom Garten Eden und von der Arche Noah an enthält sie eine Fülle von Stellen über bestimmte Tiere und Pflanzen (die Homepage des Instituts nennt Details). Dazu gehören auch Verse zum Schlachten und Essen, die – man denke nur an das Fasten und an jüdische Speiseregeln – viele Menschen bis heute beeinflussen. Andererseits haben die Kirchen im Lauf der Jahrhunderte das, was die Bibel dazu in oft widersprüchlichen Worten sagt, unterschiedlich ausgelegt. Das macht die heutige Diskussion besonders spannungsreich und den Dialog zwischen scheinbar so entfernten Feldern wie Theologie und Naturwissenschaft so nützlich.
»Es braucht in der Kirche und in den christlichen Gemeinden mehr Sensibilität für die Bewahrung der Schöpfung«, sagen Hagencord und Rotzetter – und sicher nicht nur dort. So wird viel über fragwürdige Tierversuche, über Jagd, Stierkampf und massenhaften Fleischkonsum, über verbotene Importe und über die üblen Zustände bei manchen Tiertransporten und in Schlachthöfen geredet. Und dennoch werden immer wieder neue Missstände und, biblisch gesprochen, Sündenfälle gemeldet.
Da ist es gut, das Thema nicht allein aus juristischer und tierärztlicher Sicht zu behandeln, sondern auch aus religiöser. Die katholischen Kirchenkritiker Eugen Drewermann und Karlheinz Deschner haben darüber schon früh aufgeklärt; der Protestant Albert Schweitzer forderte immer wieder Ehrfurcht vor den Tieren und machte Lambarene zu einem halben Zoo. Den Menschen als »Krone der Schöpfung« anzusehen und den Tieren einen niedrigeren Rang zuzuweisen, obgleich Mensch und Tier unzweifelhaft verwandt sind – das ist nicht ihre Welt.
»Revolutionäre Wende«
Vielmehr »helfen Tiere, die Welt als Schöpfung zu verstehen«, sagt Hagencord. Überdies zeigen sowohl die vielen tierischen Motive in der Kunst wie auch bewährte Tiertherapien, welche wichtigen Zusammenhänge es noch gibt. Und sicher ist es zu kurz gedacht, Tieren eine Seele abzusprechen.
»Ich bin überzeugt«, erläutert Anton Rotzetter, »dass Tier und Mensch viel an gemeinsamer Lebendigkeit haben – und dem Tier deswegen besondere Ehrfurcht gebührt.« Er wünscht sich eine Art Revolution: »Die Einstellung zum Auto und zum Tier ist eine Schnittstelle, an der der heutige Lebensstil, der weitgehend auf Ausbeutung und Rücksichtslosigkeit aufbaut, eine revolutionäre Wende erfahren könnte – zu Gunsten von Lebensqualität, weltweiter Gerechtigkeit und umfassender Solidarität.«
Weitere Informationen im Internet: www.theologische-zoologie.de
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